an die Staatsanwaltschaft. Mit Hilfe eines Ausweisungsparagraphen für die in wilder Ehe
lebenden Personen, glaubte man ein Instrument zu erhalten, mit welchem die auf den
Nägeln brennende soziale Frage hinsichtlich einer ihrer vermeintlich schlimmsten Aus¬
wüchse konkret angegangen werden konnte. Die staatlichen Exekutivorgane wie die
bürgerliche Öffentlichkeit benötigten offensichtlich ein Erfolgserlebnis - ein Stimmungs¬
bild, das auch in anderen europäischen Industriestaaten nicht unbekannt gewesen sein
dürfte.
Im Juli 1913 konnte darum der Großherzog ein vom Parlament verabschiedetes novellier¬
tes Gesetz über die Fremdenpolizei unterzeichnen, das die geäußerten Tatbestände ex¬
pressis verbis berücksichtigte, nicht zuletzt aber, weil zuvor auch die zuständigen
Staatspolizeibehörden eine Präzisierung der rechtlichen Grundlagen hinsichtlich der Aus¬
weisungspraxis befürwortet und für praktikabel gehalten hatten.245
Die Bestimmungen des Gesetzes aus dem Jahre 1893 waren darin insofern erweitert
worden, als derjenige an der Grenze zurückgewiesen bzw. aus Luxemburg abgeschoben
werden konnte, der 1.) im Ausland verurteilt worden war oder noch strafrechtlich verfolgt
wurde, 2.) der Prostitution nachging oder diese förderte, 3.) kein "legales" Einkommen
nachweisen konnte oder 4.) seine Familie verlassen hatte.246
In der Presse fand diese gesetzgeberische Maßnahme regen Anklang und wurde teilweise
als noch zu nachsichtig empfunden. Beispielsweise berichtete das Luxemburger Wort
in einem Artikel: "Ein weit fortgeschrittenes Krebsübel und das neue Gesetz über die
Fremdenpolizei".247
Die luxemburgische Staatsanwaltschaft instruierte die Ortspolizeibehörden Anfang August
1913 detailliert über die Durchführung des novellierten Ausländergesetzes. Der General¬
staatsanwalt wünschte in allen Amtsbezirken die Erstellung von Listen über Ausländer,
"welche in gegensätzlicher Lebensführung zu den Bestimmungen des neuen Gesetzes
sich befinden", um daraufhin angemessene Schritte einleiten zu können.248 Gemeint
waren damit ausdrücklich männliche und weibliche Konkubinen, "deren Wohnungs¬
verhältnisse die im gemeinsamen Haushalte mit ihnen aufwachsenden Kinder vor sittlicher
Schädigung, speziell durch die fehlende Trennung der Schlafräume, nicht zu bewahren
vermögen." Bezüglich derjenigen Ausländer, "welche irgendwie die Prostitution fördern,
245 Vgl. ANL J 70/4: Loi du 18Juli 1913.
246 Vgl. ebda.: In bestimmten Fällen, z.B. für jugendliche Ausländer unter 22 Jahren, gab es eine
Ausnahmeregelung.
247 Vgl. ebda.: Zeitungsausrisse aus dem Luxemburger Wort v. 8.September 1913 und v. 13 Januar
1914: "Sittenzustände und Fremdenpolizei" sowie die entsprechenden Artikel im Luxemburger
Wort v. 9.September 1913, in der Luxemburger Zeitung v. 19.März 1914 und v. 15.Mai 1914.
248 Vgl. ebda.: Schreiben des Generalstaatsanwaltes v. 7August 1913 an die Ortspolizeibehörden.
317