Eine grundsätzliche Lösung der Wohnungsnot konnte aber nur ein forcierter Arbeiterwoh¬
nungsbau erbringen, indem die Industrieunternehmen und die Kommunen bzw. der Staat
an einem Strang zogen. Die Realität im saarländischen Industriegebiet glich allerdings
in frappierender Weise derjenigen in Lothringen und Luxemburg. Betrieblicherseits wurde
gebaut - jedoch bei weitem nicht genug, obwohl die Burbacher Hütte schon im Jahre
1858, d.h. zwei Jahre nach der Werksgründung, die ersten Arbeiterhäuser hatte errichten
lassen.163 Die Gemeinde Malstatt-Burbach überließ - wie viele Kommunen - die
Befriedigung des Wohnungsbedarfs sehr lange ausschließlich dem privaten Wohnungs¬
markt. Das Jahr 1890 bildete in gewissem Sinne eine Schwelle für die lokale Wohnungs¬
politik. Erst in den 1890er Jahren wurden das Wanderungsgeschehen und die damit
verbundenen Unterbringungsprobleme in ihrer Dringlichkeit erkannt und seitens der Stadt
nach Lösungsmöglichkeiten gesucht. So kam es im Jahre 1891 zur Gründung einer
Gemeinnützigen Baugenossenschaft (GBG), an deren Aktivitäten sich die Kommune im
Gegensatz zur Stadt Diedenhofen als federführendes Mitglied beteiligte.164 Dies löste
aber keineswegs einen Bauboom aus. Der GBG gelang bis zum Jahre 1904 gerade einmal
die Errichtung von zwölf Arbeiterhäusem, wobei die Bautätigkeit in den letzten Jahren
nahezu stagniert hatte.165 Die städtische Beteiligung an der GBG hemmte eine dyna¬
mische Entwicklung der Genossenschaftstätigkeit eher, als daß es sie beflügelte. Unter
dem Einfluß der mächtigen Hausbesitzerlobby, die in der Stadtverordnetenversammlung
stark vertreten war, neigte die Stadtverwaltung und in deren Reihen besonders der ver¬
antwortliche Stadtbaumeister dazu, die Wohnungsmisere zu beschönigen. Die Lokalpresse
berichtete zwar: "Ein empfindlicher Wohnungsmangel herrscht gegenwärtig in Malstatt-
Burbach. Die Folge dieser Kalamität ist, daß die Mietpreise außergewöhnlich hoch sind
und noch fortwährend steigen. Die Ursache des Wohnungsmangels ist in erster Linie
in dem steten Zuzug von fremden Arbeitern zu sehen. Wenn man ferner die erhebliche
Zahl der monatlichen Eheschließungen und die im Verhältnis zu der Größe der Stadt
geringe Zahl der Neubauten in Betracht zieht, so muß man sich wundem, daß noch alle
Leute Unterkunft finden. Es wäre deshalb zu begrüßen, wenn städtischerseits der Bau
von Kleinwohnungen in Aussicht genommen würde."166 Der Stadtbaumeister und die
163 Vgl. StadtASb, MB 379: Situationsplan zum Concessionsgesuchder Saarbrücker Eisenhütten-
Gesellschaft vom 10.Mai 1858 behufs der Erbauung von 21 Arbeiterwohnungen in der Gemeinde
Malstatt-Burbach (genehmigt am 3.Juni 1858).
164 Vgl. StadtASb, MB 762 u. 763: Die Gemeinnützige Baugenossenschaft zu Malstatt-Burbach
mbH, gegründet am 30Aprü 1891.
165 Vgl. StadtA Sb, MB 779: der Bürgermeister von Malstatt-Burbach an den Vorstand des
Rheinischen Vereins zur Förderung des Arbeiterwohnungsbaus, dem Dachverband der gemein¬
nützigen Baugenossenschaften in der Rheinprovinz, v. 29.Dezember 1904.
166 Vgl. St.-Johann-Saarbrücker Volkszeitung v. 1.5.1906.
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