an, derer man ohnehin kaum habhaft werden könne. Im Klartext hatte sich demnach in
der Praxis die Polizeiverordnung weder zur Behebung des Wohnraummangels noch zur
Wahrung der Sittlichkeit bewährt. Weil eine akzentuierte Rechtslage nach Meinung der
Bergverwaltung aber auch nicht schaden konnte, erging im Jahre 1896 dennoch eine no¬
vellierte Fassung der Polizeiverordnung über das Halten von Kost- und Quartiergängern
in den Saarkreisen.159 Als die Trierer Bezirksregierung im Jahre 1912 auf eine noch¬
malige Verschärfung der einschlägigen Bestimmungen drängte, erkannten die Landräte
eine Notwendigkeit jedoch nicht mehr an und bemerkten zum Status quo: "Die Besserung
der Verhältnisse wird einmal auf den Umstand zurückgeführt, daß seitens der großen
Werke mit dem Bau mustergültiger Schlafhäuser fortgefahren wird, und sodann hat sich
eine strenge Handhabung der bestehenden Vorschriften als wirksam erwiesen."160
Die Schlafhauskapazitäten genügten allerdings an der Saar dem Wohnraumbedarf
ebensowenig wie in Lothringen. Speziell auf dem Wohnungsmarkt von Fabrikstädten
wie Malstatt-Burbach spielten die betrieblicherseits gebauten Schlafhäuser eine noch
wesentlich unbedeutendere Rolle als in der engeren Bergbauregion. Die Burbacher Hütte
unterhielt z.B. kurz vor der Jahrhundertwende nicht mehr als drei Schlafhäuser mit
insgesamt 36 Betten! Angesichts des Wanderungsaufkommens sowie der fortdauernden
Wohnungsmisere konnte daher die jeweils notorisch überforderte Ortspolizei auf der Basis
der genannten Rechtslage höchstens punktuell gegen das Einliegerwesen Vorgehen - falls
dies überhaupt in ihrem Interesse lag, denn Alternativen hierzu gab es nicht.161 In
höchst pragmatischer Weise hatte daher der Malstatt-Burbacher Bürgermeister eigens
zur Eindämmung des Schlafgängerwesens bereits Anfang der 1890er Jahre die Hütten¬
direktion eindringlich gebeten, ortsansässige Arbeitnehmer oder Kräfte aus der Ta¬
geseinpendlerzone auswärtigen Arbeitern vorzuziehen.162
159 Vgl. ebda.: Polizeiverordnung betr. das Kostnehmer- und Schlafstellenwesen v. 28.Januar
1896. Als Vorbild zur Novellierung diente eine entsprechende Polizeiverordnung, welche am
11.Juli 1887 im Regierungsbezirk Düsseldorf für das Ruhrgebiet ergangen war. Vgl. desgl. in
LASb, LRASb 4.
160 Vgl. ebda.: RPTr an OPKo v. 12,Oktober 1912.
161 Vgl. StadtA Sb, MB 379: Sozialleistungen der Hütte (Werbeblatt 1895) sowie: Wohlfahrtsein¬
richtungen der Burbacher Hütte bei Saarbrücken, hg. von der Luxemburger Bergwerks- und Saar¬
brücker Eisenhütten-Actien-Gesellschaft, Malstatt-Burbach 1897, S.21f.
162 Vgl. LHA Ko 403/8296: RPTr an OPKo v. 8Januar 1892 betr. die Arbeiterverhältnisse auf
der Burbacher Hütte. Der Malstatt-Burbacher Bürgermeister hatte dem Saarbrücker Landrat, wie
dieser seinen Vorgesetzten berichtete, mündlich erklärt, "daß im Interesse der Gemeinden Mal-
statt-Buibach und Gersweiler umsomehr darauf gehalten werden wurde, daß die Arbeiter aus
diesen Gemeinden zu recht berücksichtigt werden, als er das Schlafstellenwesen in vieler Hinsicht
für bedenklich halte".
293