das Kost- und Mietgängerwesen gerichtete Polizeiverordnung.153 Die Berginspektion
Louisenthal empörte sich jedoch bereits wenige Jahre später, daß besonders junge
Arbeiter der Belegschaft die Schlafhäuser meiden würden, weil sie in Privatquartieren
"leichter und ungestraft unsittlichen Vergnügungen nachgehen können".154 In der
Folgezeit diskutierte man deshalb mehrfach die Verschärfung der genannten Bestimmun¬
gen. Aber im Jahre 1893 hielt die Bezirksverwaltung dies angesichts des bedeutenden
Umfangs des Schlafgängerwesens nicht für ratsam. Neben den sicherlich zahlreichen ille¬
galen Schlafstellen waren in diesem Jahr im Kreis Saarbrücken schon 2.292 Schlafstellen
mit 5.922 Mietgängern amtlich gemeldet.155
Der Bergfiskus versuchte den negativen Auswirkungen des Einliegerwesens auf eigene
Faust entgegenzuwirken, indem er sich in der Arbeitsordnung der Kohlegruben im
Bedarfsfälle wenigstens anzuordnen vorbehielt, "daß minderjährige Arbeiter solche
Quartiere verlassen, welche in sittlicher und gesundheitlicher Beziehung für unzuträglich
erachtet werden".156 Das preußische Innenministerium unterstützte einige Jahre darauf
diese Maßnahme, als es in einem geheimen Erlaß zur Milderung der Leutenot auf dem
platten Lande den Gemeinden die Möglichkeit einräumte, jugendliche Arbeiter unter 18
Jahren abzuweisen, falls diese keine "den sittlichen und moralischen Anforderungen
entsprechende Wohnung vorzuweisen [hatten]". Beabsichtigt war auch damit vornehmlich
die Beschränkung des Schlafstellenwesens in Industrieansiedlungen.157
Die Königliche Bergwerksdirektion vertrat aber noch 1895 die Ansicht, daß einerseits
"erhebliche Mißstände nicht hervorgetreten" seien und andererseits "einzelne Überschrei¬
tungen selbst nach einer Verschärfung der geltenden Bestimmungen nicht vermieden
werden können”.158 Denn das Einliegerunwesen selbst trete vor allem saisonal auf, d.h.
im Sommer, wenn beispielsweise Bauhandwerker das Industriegebiet verstärkt frequen¬
tierten, und die Einlieger gehörten in der Regel der fluktuierenden Arbeiterbevölkerung
153 Vgl. ebda.: Polizeiverordnung betr. Kost- und Mietgängerwesen v. 30.Dezember 1882 für
die Kreise Saarbrücken und Ottweiler. Vgl. hierzu auch die Parallelüberlieferung auf Kreisebene
im LASb, LRASb 4.
154 Vgl. LASb, LRASb 4: Berginspektion Louisenthal an das Saarbrücker Landratsamt v.
29.Oktober 1889 ("vertraulich!").
155 Vgl. ebda.: RPTr an OPKo v. 26.Januar 1893 mit einer ausführlichen Statistik über die
Schlafetellen im Regierungsbezirk.
156 Dito.
157 Vgl. LHA Ko 403/8298: geheimer Erlaß des preußischen Innenministeriums v. 14.Oktober
1899.
158 Vgl. LHA Ko 403/8328: Königliche Bergwerksdirektion Saarbrücken an OPKo v.
11.September 1895.
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