bis hin zur Installierung ständiger Wohnungsinspektionen. Der Widerstand der örtlichen
Hausbesitzer(vereine) dagegen war aus eigenen finanziellen Interessen heraus jedoch
beträchtlich, und auffälligerweise versuchten gerade die Kommunen der untersuchten
Industrieregion, sich dieser Verantwortung zu entziehen. Die Stadt Diedenhofen bekundete
zwar ihr Wohlwollen gegenüber der Genossenschaftsinitiative des Jahres 1905, der
Stadtrat sprach sich aber mit Mehrheit gegen den Beitritt der Gemeinde aus, was eine
gewisse Empörung in der Öffentlichkeit auslöste.150 Die Kommune sah ihren Aufga¬
benbereich eher im Aufbau eines Wohnungsnachweises, nicht in der Wohnungsfürsorge,
weiche sie lieber einem privaten bzw. betrieblichen Engagement überließ.151
Ähnliche Erscheinungsformen in der Wahrnehmung und Behandlung der Wohnungsfrage
im Kontext des Wanderungsgeschehens durch die Behörden lassen sich im Saarrevier
festmachen.
Bereits Ende der 1870er Jahre glaubte das zuständige Handels- und Gewerbeministerium
in Berlin, die Einrichtung eines zentralen Schlafhauses für die zahlreichen auswärtigen
Arbeiter der Eisenbahnwerkstätte in Malstatt-Burbach nach dem Beispiel anderer
Staatsbetriebe wie der Grube Von-der-Heydt bei Saarbrücken, der Zeche Borussia bei
Dortmund sowie des Blei- und Silberwerkes Ems sei geeignet, um den in "immer be¬
denklicherem Maße zu Tage tretenden, gesundheitsschädlichen und entsittlichenden
Einwirkungen des auch unter der Saarbrücker Arbeiterbevölkerung in gewissem Umfang
üblichen sogenannten Kostgängertunis für die Zukunft tunlichst vorzubeugen".152 Früher
noch als im Reichsland wurde das Schlafhauskonzept als Instrument gegen das Ein¬
liegerwesen propagiert. In diesem Zusammenhang erging für die Kreise Saarbrücken und
Ottweiler, den Standorten der beiden bedeutendsten Hüttenwerke der Saarregion, der
Burbacher Hütte sowie des Neunkircher Eisenwerks, bereits im Jahre 1882 eine gegen
150 Vgl. Wittenbrock/Leiner, Wohnungspolitik, S. lOff. Das Stadtparlament ließ lediglich verlauten:
"Jedenfalls erkennt der Gemeinderat die Notwendigkeit an, für die ärmeren Klassen der
Bevölkerung Wohnungen zu errichten, welche mit einem Gärtchen versehen sind, und erklärt
sich bereit auch seinerseits zur Hebung der körperlichen und geistigen Wohlfahrt der ärmeren
Bevölkerung nach Möglichkeit beizutragen." Vgl. ACThT 1/200: Auszug aus dem Beschlußbuch
des Gemeinderates v. 2.0ktober 1905 und den undatierten Zeitungsausriß aus der Lothringer
Bürgerzeitung mit dem Artikel: "Gemeinderat und Baugenossenschaft".
131 Vgl. ACTh T 9/281: Eine aus dem Jahre 1908 erhaltene Wohnungsstatistik der Stadt
Diedenhofen belegte den auch zu diesem Zeitpunkt fortbestehenden Wohnungsnotstand; zum
Erhebungszeitpunkt standen beispielsweise in der gesamten Gemeinde, einschließlich der 3 bis
4 Kilometer entfernten Vororte, nur 26 der hochbegehrten Kleinwohnungen leer.
132 Vgl. LHA Ko 403/8328: preußisches Handels- und Gewerbeministerium an das OPKo v.
4.November 1878 mit dem Vorschlag zur Errichtung eines "Kost- und Logishauses".
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