angestellt werden, welche der deutschen Sprache vollständig mächtig sind".81 Aus¬
ländische Arbeiter müßten das Risiko selbst tragen, wenn sie die Sprache ihres Gastlandes
nicht verstünden, während deutsche Arbeiter einen "berechtigten Anspruch" auf deutsch
sprechende Vorgesetzte hätten.82
Das nationalpolitische Anliegen, ausländisches Führungspersonals aus den Werken
herauszudrängen, welche sich auf deutschem Boden befanden, und zwar unter dem Deck¬
mantel des Arbeitsschutzes für die in der Realität häufig ebenfalls nicht oder nur mäßig
deutsch sprechenden Arbeiter, ist offensichtlich.83 Umso fadenscheiniger wirkt das
Argument des Arbeitsschutzes für die angeblich in ihrer Mehrheit germanonophonen
Arbeiter. Denn die Verantwortlichen wußten genau, daß sich vor allem an der
französischen Grenze Altdeutsche nur ungern niederließen, dafür aber Italiener, die wohl
weniger Probleme mit der französischen als der deutschen Sprache hatten, sowie
französische Pendler hier im lothringischen Vergleich sehr stark vertreten waren.84
Verursachte die Mobilität der Industrialisierungsperiode den Behörden per se schon
Magendrücken, so reagierten jene extrem nervös hinsichtlich migrativer Vorgänge in
unmittelbarer Nachbarschaft zur französischen Grenze. Bis zum Beginn der industriellen
Erschließung des Saar-Lor-Lux-Raumes war das Wanderungsgeschehen überschaubar
geblieben. In der ersten Hälfte der 1850er Jahre passierten z.B. jährlich nicht mehr als
zwischen 20.000 und 30.000 Personen aus Frankreich den Bahnhof Saarbrücken, welcher
vor der Annexion Elsaß-Lothringens eine der wichtigsten deutsch-französischen Grenz¬
stationen bildete.83 Die Ordnungskräfte hatten zu diesem Zeitpunkt die Abfertigung mehr
oder minder umfangreicher Durch- und Auswanderungskontingente zu bewältigen und
dabei speziell "Versuche zur heimlichen Auswanderung" sowie Emigrationsversuche
81 Vgl. ebda.: Muster der Bezirkspolizeiverordnung durch das MinEL v. 28.Juli 1899. Die
Bezirkspolizeiverordnung selbst erging am 22.August 1899.
82 Vgl. ebda.: MinEL an den Vorstand der Südwestdeutschen Eisenberufsgenossenschaft
Saarbrücken (zu Händen des Freiherm von Stumm-Halberg) v. 2.Februar 1900. Verwiesen wurde
auf den konkreten Fall der beiden de Wendelschen Werke in Hayingen und Großmoyeuvre, wo
zwar alle Vorgesetzten der französischen Sprache mächtig waren, aber 44 davon kein Deutsch
konnten, obwohl angeblich die Mehrzahl der Arbeiter ausschließlich deutsch sprach.
83 Gegenüber der Berufsgenossenschaft, welche sich beschwerte, daß ihr eigentlich die Festlegung
von Arbeitsschutzbestimmungen zustehe, wandte das MinEL ein, "daß es sich nicht um eine
Anordnung technischer Einrichtungen zur Verhütung von Betriebsunfällen oder zum Schutz der
Gesundheit und Sittlichkeit der Arbeiter handelt", sondern um eine dezidiert nationalpolitische
Angelegenheit. Vgl. ebda.
84 Vgl. ADBR 87 AL 3302: Jahresbericht des Gewerbeaufsichtsbeamten für Lothringen bzgl.
1908.
83 Vgl. LHA Ko 442/1493, insbesondere den Polizeibericht über den Fremdenverkehr am
Eisenbahnhofe zu Saarbrücken v. 4.Januar 1855.
274