Full text: Migration und Urbanisierung (23)

wurden zum Zielpunkt einer Bevölkerungsbewegung, deren erstes Kennzeichen eine 
überproportionale Land-Stadt-Wanderung war. Die Gestalt und der Aufgabenbereich 
der Kommunen gerieten dadurch unmittelbar in den Sog des industriellen Wandlungspro¬ 
zesses. 
Schwerpunkte der Untemehmensaktivitäten bildeten u.a. die Orte Malstatt-Burbach - 
seit 1909 Teil der Großstadt Saarbrücken -, das an der lothringischen Mosel nördlich 
von Metz gelegene Diedenhofen (Thionville) und Esch-an-der-Alzette, die Metropole 
des südluxemburgischen bassirt minier.3 
Im Mittelpunkt der vorliegenden Untersuchung steht die detaillierte Analyse der regiona¬ 
len, inter- und innerstädtischen Wanderungsbewegungen. Von Interesse sind dabei die 
Richtung, Intensität, Zusammensetzung und sozialen Folgen der Migrationsströme, welche 
die drei Kommunen seit Beginn der Industrialisierung bis kurz vor den ersten Weltkrieg 
berührten. In diesem Zusammenhang wird der Frage nachgegangen, ob in den drei Teilre¬ 
gionen Saarland, Lothringen und Luxemburg sehr ähnliche Migrationsmuster anzutreffen 
waren, oder ob sich in den drei - trotz ihres gemeinsamen industriellen Charakters recht 
unterschiedlichen - Gemeinden spezifische Migrationskulturen ausbildeten. Es gilt zu 
klären, ob und inwieweit die Wanderungsbewegungen der Hochindustrialisierungsperiode 
die Industriezentren der Region über administrative Grenzen hinweg sozial miteinander 
vernetzten. Außerdem wird erörtert werden, wie das Wanderungsgeschehen seitens 
politischer Entscheidungsträger bzw. seitens der bürgerlichen Öffentlichkeit im Königreich 
Preußen, im Reichsland Elsaß-Lothringen und im Großherzogtum Luxemburg rezipiert 
wurde. Welche administrativen Steuerungsstrategien wurden diskutiert und schließlich 
praktisch umgesetzt? Gab es einen Austausch der verschiedenen Landesverwaltungen 
untereinander und wie intensiv gestaltete sich dieser? Das Verhältnis reichsdeutscher Stel¬ 
len zum souveränen Großherzogtum Luxemburg und auch zum nationalpolitischen 
Kontrahenten Frankreich soll unter dem Gesichtspunkt eines nicht unwesentlichen 
zwischenstaatlichen Bevölkerungsaustausches näher betrachtet werden. Es gilt hier die 
These nationaler wie regionaler Dependenzen und Interferenzen im Rahmen der be¬ 
hördlichen Auseinandersetzung mit den Migranten empirisch zu überprüfen. 
3 Der Sprachgebrauch hinsichtlich der Untersuchungsgemeinden richtet sich in der vorliegenden 
Studie nach der jeweils gültigen zeitgenössischen Nomenklatur. Während der Reichslandzeit 
(1871-1918), mit der sich der Untersuchungszeitraum im wesentlichen deckt, lautete die offizielle 
Bezeichnung für das zuvor französische Thionville "Diedenhofen". Die Germanisierun gm aßnah¬ 
men während des ersten Weltkrieges, im Zuge derer eine ganze Reihe bis dahin frankophoner 
Ortsnamen eingedeutscht wurden, finden allerdings keine Berücksichtigung. Zur Vermeidung 
von Identifizierungsproblemen wird bei Erstnennungen in der Regel die historische bzw. aktuelle 
französische Ortsbezeichnung angegeben. Bei luxemburgischen Ortsnamen wird aufgrund der 
offiziellen Dreisprachigkeit des Großherzogtums (Deutsch, Französisch, Luxemburgisch) generell 
mit der deutschen Bezeichnung gearbeitet. 
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