wurden zum Zielpunkt einer Bevölkerungsbewegung, deren erstes Kennzeichen eine
überproportionale Land-Stadt-Wanderung war. Die Gestalt und der Aufgabenbereich
der Kommunen gerieten dadurch unmittelbar in den Sog des industriellen Wandlungspro¬
zesses.
Schwerpunkte der Untemehmensaktivitäten bildeten u.a. die Orte Malstatt-Burbach -
seit 1909 Teil der Großstadt Saarbrücken -, das an der lothringischen Mosel nördlich
von Metz gelegene Diedenhofen (Thionville) und Esch-an-der-Alzette, die Metropole
des südluxemburgischen bassirt minier.3
Im Mittelpunkt der vorliegenden Untersuchung steht die detaillierte Analyse der regiona¬
len, inter- und innerstädtischen Wanderungsbewegungen. Von Interesse sind dabei die
Richtung, Intensität, Zusammensetzung und sozialen Folgen der Migrationsströme, welche
die drei Kommunen seit Beginn der Industrialisierung bis kurz vor den ersten Weltkrieg
berührten. In diesem Zusammenhang wird der Frage nachgegangen, ob in den drei Teilre¬
gionen Saarland, Lothringen und Luxemburg sehr ähnliche Migrationsmuster anzutreffen
waren, oder ob sich in den drei - trotz ihres gemeinsamen industriellen Charakters recht
unterschiedlichen - Gemeinden spezifische Migrationskulturen ausbildeten. Es gilt zu
klären, ob und inwieweit die Wanderungsbewegungen der Hochindustrialisierungsperiode
die Industriezentren der Region über administrative Grenzen hinweg sozial miteinander
vernetzten. Außerdem wird erörtert werden, wie das Wanderungsgeschehen seitens
politischer Entscheidungsträger bzw. seitens der bürgerlichen Öffentlichkeit im Königreich
Preußen, im Reichsland Elsaß-Lothringen und im Großherzogtum Luxemburg rezipiert
wurde. Welche administrativen Steuerungsstrategien wurden diskutiert und schließlich
praktisch umgesetzt? Gab es einen Austausch der verschiedenen Landesverwaltungen
untereinander und wie intensiv gestaltete sich dieser? Das Verhältnis reichsdeutscher Stel¬
len zum souveränen Großherzogtum Luxemburg und auch zum nationalpolitischen
Kontrahenten Frankreich soll unter dem Gesichtspunkt eines nicht unwesentlichen
zwischenstaatlichen Bevölkerungsaustausches näher betrachtet werden. Es gilt hier die
These nationaler wie regionaler Dependenzen und Interferenzen im Rahmen der be¬
hördlichen Auseinandersetzung mit den Migranten empirisch zu überprüfen.
3 Der Sprachgebrauch hinsichtlich der Untersuchungsgemeinden richtet sich in der vorliegenden
Studie nach der jeweils gültigen zeitgenössischen Nomenklatur. Während der Reichslandzeit
(1871-1918), mit der sich der Untersuchungszeitraum im wesentlichen deckt, lautete die offizielle
Bezeichnung für das zuvor französische Thionville "Diedenhofen". Die Germanisierun gm aßnah¬
men während des ersten Weltkrieges, im Zuge derer eine ganze Reihe bis dahin frankophoner
Ortsnamen eingedeutscht wurden, finden allerdings keine Berücksichtigung. Zur Vermeidung
von Identifizierungsproblemen wird bei Erstnennungen in der Regel die historische bzw. aktuelle
französische Ortsbezeichnung angegeben. Bei luxemburgischen Ortsnamen wird aufgrund der
offiziellen Dreisprachigkeit des Großherzogtums (Deutsch, Französisch, Luxemburgisch) generell
mit der deutschen Bezeichnung gearbeitet.
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