2.3.2 Sozialgruppen
Bei der Eingruppierung der Zuwanderer in die ökonomischen Bereiche Landwirtschaft,
Gewerbe, Dienstleistung und Militär handelt es sich, wie gesagt, um ein recht grobes,
unhierarchisches Analysekriterium, welches nur allgemeine Aussagen über die Bedeutung
der Immigration für bestimmte Wirtschaftssektoren nach sich ziehen kann. Im folgenden
soll die Zuwanderung in ihrer stadtgesellschaftlichen Relevanz vertiefend untersucht wer¬
den, indem einzelne Sozialgruppen, die sich aus einem spezifischen sozialen
Schichtungsmodell ergeben, in den Blickpunkt gerückt werden. (Tab.15)64
Bei der Betrachtung der beteiligten Sozialgruppen ist unübersehbar, daß die Zuwanderung
in die Industriestädte der Saar-Lor-Lux-Region zum überwiegenden Teil von Arbeitern
sowie Beamten und Angestellten getragen wurde. Über den gesamten Un¬
tersuchungszeitraum waren mehr als 70 Prozent der Immigranten in Malstatt-Burbach
(71,2 %) und in Diedenhofen (70,2 %) entweder gelernte oder ungelernte Arbeiter, je¬
weils etwa 22 Prozent (MB: 22,0 %, TH: 21,8 %) waren mittlere oder untere Beamte
oder Angestellte.65 Oberbürgerliche Gmppen fanden sich in diesem Kontext nur mit
sehr geringen Prozentsätzen, wobei das Besitzbürgertum in den Industriekommunen so
gut wie keine Rolle spielte (je weniger als 0,1%) und das Bildungsbürgertum kaum einen
einprozentigen Wanderungsanteil erzielte (MB: 0,5%, TH: 1,0%). Die Gruppe der
Selbständigen, d.h. der (VolI-)Bauem, Handwerksmeister und Kaufleute {alter Mittel¬
stand), erfuhr einen durchschnittlichen Wanderungszustrom von 4,1 Prozent in Malstatt-
Burbach bzw. 3,4 Prozent in Diedenhofen und war, wenigstens am saarländischen
Industriestandort, eine der stadtgesellschaftlichen Wachstumsgruppen. Während nämlich
im alten Mittelstand der Zuzug von (Voll-)Bauem stets zwischen 0,2 und 0,4 Prozent
stagnierte und derjenige von Handwerksmeistern zwischen einem halben und anderthalb
Prozent pendelte, wuchs der Anteil der selbständigen Kaufleute und Unternehmer von
Phase A nach Phase D kontinuierlich von 1,5 Prozent auf 3,6 Prozent der Zuwanderung
an. Als weitere Zuwachsgruppen erwiesen sich in Malstatt-Burbach der neue Mittel¬
stand und ganz besonders die Gruppe der unteren Beamten und Angestellten. Die
kleinbürgerliche Schicht der niederen Gehaltsempfänger legte zwischen 1856/75 (5,1%)
und 1901/09 (18,4%) 13,3 Prozentpunkte zu und nahm somit im letzten Teilabschnitt
der Studie hinter den beiden Arbeiterkategorien den dritten Platz in der Immigrations¬
rangliste ein, den in den ersten drei Untersuchungsphasen die von 7,1 (A) auf 10,9 Pro-
64 Vgl. Anhang B2, Abschnitt I.
Der Gesamtanteil für mittlere und untere Beamte oder Angestellte ergibt sich aus der Addition
der Sozialgruppen Neuer Mittelstand und untere Beamte/Angestellte, zu denen auch Offiziere,
Unteroffiziere und Soldaten gerechnet wurden.
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