wenn sie einerseits Erzbischof Egbert als Auftraggeber der Miniaturen sehen, andererseits
aber auf angelsächsische Stilelemente der Darstellung verweisen.128 Egbert hat in der Zeit
seines Episkopats der Stätte seiner Jugend jede nur erdenkliche Fürsorge angedeihen
lassen, indem er liturgisches Gerät und Bücher nach Egmond schickte.129 Es gibt nun in
der Tat einen Mettlacher Abt englischer Eierkunft der Egbertzeit mit ausgewiesenen Fä¬
higkeiten als Illuminator: den ehemaligen Nonnus der Genter St. Peter-Abtei Lioffin/Le-
ofsinus.130 Verschiedene Autoren vertreten die Entstehung der Miniaturen in Gent, wobei
sie auf enge stilistische Parallelen mit dem sogenannten Aethelwold-Benedictionale ver¬
weisen, das zwischen 971 und 984 gefertigt wurde.131 Angesichts der Quellenlage vermag
die Dichte der Argumentation hier keinen Beweischarakter zu erlangen, aber auch weitere
Indizien sprechen für eine Anwesenheit Lioffins in dem nordholländischen Kloster. Das
Frauenkloster Nivelles liegt gerade 60 Kilometer von Gent entfernt, dort kursierende
Wundererzählungen müssen Lioffin vertraut gewesen sein. Aus Gent waren eine Genera¬
tion zuvor die ersten Mönche für die Besiedlung der Abtei St. Adalbert gekommen, cul-
tores monasticae observantiae in der Terminologie Ruoperts.132 Tumultuarische Besitz¬
streitigkeiten hatte er in „transmarinis partibus“ (i.e. England) unter Umständen selbst er¬
lebt.133 Von der Chronologie läßt sich ein Aufenthalt Lioffins in Egmond leicht vertreten,
doch ist die Redaktion des Ruopert-Textes auch in Mettlach selbst möglich gewesen.
128 Séjourné, Deux miniatures, S. 34: „Du moins est-ce un fait désormais acquis que le biographe
en question n’était pas un moine d’Egmond, mais bien un moine de Mettlach du nom de Ruspert
(sic!) envoyé tout exprès sur les lieux par l’archevêque de Trêves. N’aurait-il pas envoyé aussi
notre destinateur? Chilo sà?“ -Brenninkmeyer-de Rooy,The miniatures, S. 166: „Asforthe îco-
nography of fol. 215, although saints interceding with Christ are found in art from Early Chri¬
stian times on, Christ is never shown in a mandorla. We first find it in the lOth Century: in Anglo-
Saxon miniatures, in German illumination and on the present page. Although the first examples
are far from homogenous in conception, it is in any case clear that the intercession miniature in
the Egmond Gospels is doser to the Anglo-Saxon than to the German examples.“
129 Es existiert eine Liste von 19 Handschriften, die Egbert der Abtei schenkte, s. Kleyn, Catalogus
der boeken, und die neuere Übersicht von Lampen, Catalogus librorum. Ein schönes Zeugnis für
die Anhänglichkeit, die man sich in Egmond auch in späteren Jahrhunderten an den holländi¬
schen Grafensohn bewahrte, ist die Reimchronik des Melis Stoke {Buch I, Z. 674ff.):
(Egbert) offerde sinte Aelbrechte
Ene goudijn cruce van scoenre manière,
Ende oec ene kasuffle diere,
Ene aelmatike ende een missael,
Capittelaer ende een passionael,
Ende ander goede boeke dar met,
Doude ende nie wet,
Bescreven in letteren fine,
Ende vol beilichdoems ene serine.
110 s. Kap. 1.3.1.
131 so bereits der Katalog „Schatten van de Koninklijke Bibliothek“, Nr. 12f. (Gent oder Nieder¬
rhein) u. Korteweg, Thierry II, v. a. S. 150. Die jüngste Studie zum Egmonder Evangeliar von Cig-
gaar, Dedication miniatures, betont wieder die Rolle Egberts als Vermittler, glaubt aber byzan¬
tinische Elemente in der Ikonographie der Schlußminiaturen ausfindig machen zu können.
132 Vita Adalberti, cap. 18; für St. Peter treten ein Huijben, Geschiedkundige waarde, S. 264 u. de
Glas, De plaats van herkomst. Ihre Herkunft aus St. Bavo verfocht Oppermann und jetzt wieder:
G. Declerq, Gent (III). Geschichte der Abteien St. Peter und St. Bavo, in : Lexikon des Mittelalters
IV (1989), Sp. 1244-1246
133 s. Kap. 1.3.1.; ein englisches Pendant sind die Miracula S.Swithuni (10. Jh.), AA SS Juli I, S. 298,
cap. 32, wo ebenfalls eine Kettenbefreiung „in transmarinis partibus“ geschildert wird.
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