6.4. Hieronymus Bock: Ein protestantischer Stiftsherr zu St. Fabian/Hornbach
Die Bemühungen des Hornbacher Abtes Reyner von Hompesch um eine dauerhafte Sta¬
bilisierung seines Klosters waren nicht von Erfolg gekrönt. Zwei Generationen später
sollte sich einer seiner Amtsnachfolger als regelrechter Totengräber der alten Abtei er¬
weisen. Unter Abt Johann Kintheuser (amt. 1513-1548 [resign.j, gest. 1551) blieben
kaum mehr als einige katholische Meßriten bestehen, Kintheuser selbst und seine Konven-
tualen heirateten und legten das geistliche Gewand ab. Unklar bleibt, ob er auch der Ver¬
fasser einer anonymen Schmähschrift gegen Erzbischof Albrecht von Mainz war; jeden¬
falls gelang es ihm, sich von der deswegen verhängten Exkommunikation zu lösen.178
Ausgerechnet unter dieser schillernden Gestalt des Übergangs wirkte in Hornbach ein Ge¬
lehrter von überregionaler Reputation: Hieronymus Bock gen. Tragus (1498-1554). Sein
an Wechselfällen reiches Leben ist bereits andernorts unter Rückgriff auf Paul Frehers
„Theatrum virorum eruditione clarorum“ und die Hornbacher urkundliche Überliefe¬
rung ausführlich geschildert worden.179 Wenn in manchen älteren Arbeiten Bock zum
frühen Vorkämpfer der Reformation stilisiert wurde, so verkennt dies das Selbstver¬
ständnis dieses begabten Autodidakten, der sich vorrangig als Botaniker und Mediziner
sah. Natürlich hinderte ihn das nicht, zu den Fragen seiner Zeit dezidiert Stellung zu
nehmen, zumal ihn als ausgewiesenen Lutheraner seine - pro forma - geistliche Stellung
als Scholastikus des St. Fabiansstifts (seit 1533), Pfarrer zu Hornbach (seit 1538) und Ka¬
plan des Abtes Kintheuser zwangsläufig religiösen Konflikten aussetzen mußte. Bei
seinem Streit mit dem Stift kam es 1536 zu einem Vergleich.180 Für die Fragestellung vor¬
liegender Untersuchung interessiert Bock als produktiver fachwissenschaftlicher Schrift¬
steller und Lehrer des späteren Heidelberger Stadtarztes und Baineologen Jakob Theodor,
mit-gegen Ende seines Lebens - intensiven Kontakten zum Hof der Saarbrücker Grafen.
Wichtigstes Werk Bocks ist sein „Kreutterbuch“ von 1539, das auf Drängen seines Stra߬
burger Freundes Otto Brunfels entstand und im 16. Jahrhundert noch mehrmals aufgelegt
wurde.181 Seine große Beliebtheit verdankt das Buch weniger den Illustrationen von recht
unterschiedlicher Qualität als dem plastischen deutschen Sprachstil seines Verfassers, der
sich damit bewußt an die kaufkräftigen, des Lateins unkundigen städtischen Ober¬
schichten wandte. Zu Bocks wenigen Pflichten als Stiftsherr zu St. Fabian zählte das Amt
des Lehrers an der Hornbacher Stadtschule, eine Tätigkeit, für die er um so eher prädesti¬
niert schien, als er vor seiner Hornbacher Zeit bereits in Zweibrücken als Lehrer gewirkt
hatte.182 An dieser Institution wird der junge Jakob Theodor (geb. etwa 1520-1530, gest.
178 offizielle Mitteilung des Dr. iur. cand. Bernhard Dorinck, Propst zu Herford und Offizial des
geistlichen Hofgerichts zu Koblenz, vom 8. Mai 1532: Neubauer Regesten Hornbach, Nr. 788
nach LHA Speyer, Hornbacher Urkunden, Nr. 34
179 Mayerhofer, Beiträge; Roth, Hieronymus Bock. Vgl. Neubauer, Regesten Hornbach, Nr. 799,
802, 823,868, 878,889,895.
180 Roth, Hieronymus Bock, S. 31 f. ; zu den letzten Jahren des Stifts und seinem (im Vergleich zur
Abtei) zäheren Festhalten am katholischen Ritus s. Moraw, St. Fabian, S. 134-137
181 Bibliographie der Schriften Bocks bei Roth, Hieronymus Bock, S. 59-68
182 von 1524 an, s. Schmidt, Stadtschule Hornbach, S. 12; die Stadtschule darf nicht mit der 1559
von Herzog Wolfgang gegründeten fürstlichen Landes- oder Partikularschule verwechselt
werden, die sich in den Räumlichkeiten der aufgehobenen Abtei etablierte.
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