Eisenbahn-Baugesellschaft Becker übertragen und letztendlich seien die Strompreise
der Bergwerksdirektion erheblich überhöht; selbst bei 25 Mark pro kW und 1,5 Pfen¬
nig/kWh könne „nur eine bescheidene Rente des zu investierenden Kapitals bei ganz
minimalen Abschreibungen erzielt werden.“ Zudem verlangten die Kreise, auch Ort¬
schaften mit ganz ungenügendem Stromabsatz anzuschließen. Diese Forderung gestal¬
te in Verbindung mit den hohen Strompreisen den Betrieb einer Uberlandzentrale un¬
rentabel. Die Bergwerksdirektion ihrerseits nahm das Kündigungsschreiben sofort
zum Anlaß, sich selbst wieder mit den umliegenden Landkreisen als Stromlieferant in
Verbindung zu setzen47. Auf Seiten des Bergfiskus erblickte man ebenfalls in den
Strompreisen den Hauptgrund für das Ausscheiden der AEG. Offensichtlich hatte
diese aber auch wegen eines Formfehlers bei der Gründung der SEWAG diese gar nicht
erst ins Handelsregister eintragen lassen48.
Das Vakuum nach dem Scheitern der SEWAG versuchte auch das Rheinisch-
Westfälische Elektrizitätswerk (RWE) zur Ausdehnung seines Versorgungsgebietes zu
nutzen: Am 13. Januar 1912 unterbreitete das Essener Vorstandsmitglied Goldenberg
dem Landrat von Miquel den Plan, daß Stadt- und Landkreis Saarbrücken zusammen
mit der Karlinger Saar-Mosel-Bergwerksgesellschaft eine Stromvertriebsgesellschaft an
der Saar gründen sollten. Da dem RWE wohlbekannt war, daß ohne Zustimmung der
Bergwerksdirektion auf diesem Gebiet nichts zu erreichen war, schlug das Unterneh¬
men eine jeweils 50%ige Stromlieferung seitens der Saar-Mosel-Bergwerksgesellschaft
und des Bergfiskus vor; würde eine der stromliefernden Parteien auf eine Kapazitätser¬
weiterung der Kraftwerke verzichten, so sollte die entsprechende Mehrlieferung auto¬
matisch auf die andere Partei übergehen. Tieferer Hintergrund dieses Angebotes war
offensichtlich das seit mehreren Monaten festzustellende Bemühen der Saar-Mosel-
Bergwerksgesellschaft, das in Interessengemeinschaft mit ihr stehende Eisenwerk St.
Ingbert von Lothringen aus über eine Kabelleitung mit Strom zu beliefern. Alle betref¬
fenden Anfragen wie auch das Angebot auf Gründung einer Stromvertriebsgesellschaft
lehnte die Bergwerksdirektion jedoch kategorisch ab49.
Der Aufbau der regionalen Elektrizitätsversorgung an der Saar gelang erst in der Ver¬
bindung von kommunalem und privatem Kapital, initiiert diesmal durch die Stadt
Saarbrücken, die bei den SEWAG-Plänen noch ganz im Hintergrund gestanden
hatte50. Die noch junge Großstadt, die erst am 01.04.1909 aus der Vereinigung von
Alt-Saarbrücken, St. Johann und Malstatt-Burbach entstanden war und deren Stadtver¬
waltung eine Fülle kommunalpolitischer Aufgaben harrte, verfolgte unter ihrem
Oberbürgermeister Mangold, dem Ersten Beigeordneten Schlosser und dem Direktor
der städtischen Gas-, Wasser- und Elektrizitätswerke, Tormin, den Plan für eine Uber¬
landzentrale und brachte ihn dieses Mal zu einem erfolgreichen Abschluß51. Die Stadt
47 LA Sbr. 564/804, S. 2.
48 Ebd., S. 7, 60ff.
49 LA Sbr. 564/1449, S. 268ff., 564/407, S. 269ff.
50 Aufgrund ihres wenig zufriedenstellenden Stromlieferungsvertrages mit der Bergwerks¬
direktion (vgl. Kap. 1.4.b) sah sich die Stadt durch die Pläne des Fiskus eingekreist und forder¬
te eine Beteiligung an den Verhandlungen mit der AEG. Der Regierungspräsident von Trier
wies dieses Ansinnen jedoch energisch zurück, da die Interessen von Saarbrücken mit denje¬
nigen der Landkreise kollidierten (vgl. LHA Koblenz 442/9958, p. 213f.).
51 EKB 11 (1913), S. 86f.
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