in angemessener Zeit zu reagieren. Gescheitert waren viele Verhandlungen nicht am
reinen Arbeitspreis mit seiner nach Dauer der Entnahme gestaffelten Ermäßigung, zu
dem später noch ein fester Grundpreis pro maximal abgegebenes Kilowatt trat, son¬
dern an den zusätzlichen Kosten, die für den einzelnen Abnehmer hinzukamen. Die
Bergwerksdirektion war grundsätzlich nur bereit, Strom ab Kraftwerk oder einer ihrer
Unterstationen in 5 oder 10 kV abzugeben. Leitungsbau und Errichtung von Transfor¬
matoren zur Gewinnung der Gebrauchsspannung wurden dem jeweiligen Unterneh¬
men aufgebürdet. Genehmigungsverfahren und Bau der Leitungen erforderten bereits
längere Zeit, zusätzlich zu den Wochen und Monaten, die verstrichen, bis ein fertiger
Stromlieferungsvertrag zustande gekommen war. Fast jeder Vertragsentwurf und jede
Änderung eines Vertrages mußten vom zuständigen Minister für Handel und Gewerbe
in Berlin genehmigt werden. Dieses bürokratische Verfahren, das die meisten Firmen
aus Zeitgründen vom Strombezug abschreckte, war auch innerhalb der Bergbehörden
umstritten, wie die Kritik der betroffenen Direktion der Kraft- und Wasserwerke
verdeutlichte140.
Es war wohl eine nicht zu unterschätzende Leistung, daß die Bergwerksdirektion Saar¬
brücken Kraftwerke errichtete und vorausschauend die Elektrifizierung des Gruben¬
betriebes plante und durchführte. Die Aufnahme der Abgabe von elektrischem Strom
über den eigenen Bedarf hinaus war ebenfalls grundsätzlich zu begrüßen. Die umständ¬
liche Art und Weise, wie dies geschah, hatte jedoch viele industrielle Abnehmer auf län¬
gere Zeit für den Bezug aus dem öffentlichen Netz abgehalten, und sie vergrößerten
lieber die eigenen Erzeugungskapazitäten oder optimierten ihre mechanischen Kraft¬
übertragungsanlagen. Für den Aufbau einer wirtschaftlich tragfähigen öffentlichen
Versorgung wirkte es sich ebenfalls negativ aus, daß sich die Bergwerksdirektion, wenn
sie beispielsweise an Gemeinden zum Weiterverkauf lieferte, alle Großkunden über
250.000 kWh/a zur direkten Versorgung vorbehielt. Dieses „Herauspicken der Rosi¬
nen“ aus dem Kuchen der Stromversorgung trug zwar zur Verbesserung der finanziel¬
len Ergebnisse des Fiskus bei, erschwerte aber die Bereitschaft von Elektrounterneh-
men, sich für eine öffentliche Versorgung an der Saar zu engagieren (vgl. Kap. II.2.).
Den Hütten mit ihren kostengünstigen Eigenerzeugungsanlagen konnte diese Ent¬
wicklung relativ gleich sein, sie schlossen teilweise mit der Bergwerksverwaltung
Aushilfs- und Reserveverträge, um im Falle eines technischen Defektes abgesichert zu
sein141.
140 So z.B. in einem Gespräch mit dem Oberberghauptmann vom 27.8.1908 (LASbr. 564/107,
S. 72ff.) oder in einer Denkschrift des Bergwerksairektors Flemming über die Entwicklung
der staatlichen Bergwerke an der Saar (LÄ Sbr. 564/64, S. 7ff.). Auch Klagen der Handels¬
kammer Saarbrücken über die Schwerfälligkeit des preußischen Bergfiskus als „typischer
Staatsbetrieb“ waren öfters zu vernehmen, z.B. im Jahresbericht der Handelskammer Saar¬
brücken für 1909, S. I 13ff.
141 1908/09 (LASbr. 564/1537, S. 129ff.). Röchling führte als positiven Effekt auch die Garan¬
tie einer Lieferung durch die eigenen Kraftwerke an, falls die Bergwerksdirektion wegen
Streiks nicht produzieren könne. Verhandlungen mit den übrigen Hütten scheiterten, da
deren Aushilfsleistung maximal 2000 kW betragen hätte und Kabelanschlüsse sehr teuer
waren (LA Sbr. 564/407, S. 250ff.). Im Falle des Neunkircher Eisenwerkes hatte das Kraft¬
werk Heinitz kurz vor Kriegsbeginn keine Reservekapazitäten mehr frei (ebd., S. 410ff.,
419). Alle Gaszentralen auf den Hütten hatten den Nachteil, daß bei Betriebseinschränkun¬
gen, beispielsweise wenn der Hochofenbetrieb aus konjunkturellen Gründen zurückgefah¬
ren werden mußte, die vom Vollbetrieb der Zentrale abhängige Licht- und Kraftversorgung
unter Umständen gefährdet war (vgl. Müller, Hermann, 1935, S. 82ff.).
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