3, Zentrale Stromerzeugung in den Kraftwerken Heinitz und Luisenthal
Die Bemühungen der Bergwerksdirektion zielten in den folgenden Jahren aus den ge¬
nannten Gründen darauf, die Krafterzeugung zu vereinheitlichen und dadurch zu ver¬
billigen. Eine erhebliche Ersparnis an Betriebskosten brachte die Verwendung elektri¬
scher Motoren als Ersatz von kleinen und älteren, mit hohem Dampfverbrauch arbei¬
tenden Dampfmaschinen. Diese Erkenntnis setzte sich nach der Jahrhundertwende im
gesamten deutschen Bergbau durch50. Der Geschäftsbericht der AEG stellte beispiels¬
weise für das Geschäftsjahr 1905/06 fest, daß der Bergbau die Tätigkeit der Instal¬
lationsabteilung der Firma inzwischen hauptsächlich in Anspruch nahm51. Auf der
Planungsgrundlage großer, zentral gelegener Kraftwerke wollte die Bergwerksdirek¬
tion die Elektrifizierung auf folgenden Gebieten vorantreiben: Unterirdische Wasser¬
haltung, Ventilatoren, große und kleine Pumpwerke über Tage, Separationsanlagen,
Kohlenwäschen, Werkstatt- und sonstige kleine Maschinen, die gesamte Beleuchtung
sowie in absehbarer Zeit auch Hauptfördermaschinen52. Prognosen über den gesam¬
ten eigenen Kraftbedarf der Gruben ergaben für die Jahre 1907,1908 und 1909 Werte
von rund 6.400, 10.500 und 14.500 kW.
Die Pläne der Bergwerksdirektion stießen in der Presse auf großes Interesse, zumal
immer wieder versichert wurde, daß die neuen Kraftwerke „mit den modernsten und
leistungsfähigsten Maschinen ausgerüstet“ würden, „die es ermöglichten, die Kosten
der Stromerzeugung in außerordentlichem Maße zu vermindern .. ,“53. Unter diesen
Umständen sollte sich für die Gemeinden und industriellen Unternehmungen des Saar¬
reviers die Möglichkeit eröffnen, den Bedarf an elektrischem Strom zur Beleuchtung
und zum Betriebe von Straßenbahnen, Wasserwerken und Fabriken aus dem fiskali¬
schen Verteilungsnetz zu beziehen. Aufgrund der geschätzten niedrigen Stromerzeu¬
gungskosten der großen staatlichen Elektrizitätswerke hoffte die Bergwerksdirektion,
daß sich die Abnehmer wesentlich günstiger stehen würden, als wenn sie ihren Strom¬
bedarf in eigenen Werken herstellten. Eine Anzahl von Gemeinden und industriellen
Unternehmen des Saarreviers war deshalb mit der königlichen Bergverwaltung wegen
Abgabe von elektrischem Strom in Verhandlungen getreten. Die Bergwerksdirektion
ging davon aus, daß diese Verhandlungen zu einem befriedigenden Abschluß kämen
und so weiten Kreisen die Möglichkeit verschafften, aus den neuen Errungenschaften
der Elektrotechnik Nutzen zu ziehen. Öffentliche Ankündigungen, teilweise Jahre
vor Inbetriebnahme des ersten Kraftwerkes, weckten zusammen mit vielfach übertrie¬
benen Zeitungsberichten in der Bevölkerung große Hoffnungen auf eine rasche Elek¬
trifizierung. Andererseits riefen sie völlig falsche Vorstellungen über die finanzielle
Seite der Einführung des elektrischen Stroms hervor. Manche Euphorie schlug in
nüchternen Realismus um, wenn die ersten Angebote der Bergwerksdirektion an Pri¬
vate und Gemeinden zur Versorgung mit elektrischer Energie Vorlagen (vgl. Kap.
1.4.d).
50 Vgl. EKB 8 (1910), S. 1.
51 LA Sbr. 564/1537, S. 43ff.
52 Ebd., S. 59.
53 BMF 1906, Nr. 107.
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