Nach einem zwischen VSE und Wirtschaftsministerium erarbeiteten Plan sollte das
neue Kraftwerk zusammen mit Wehrden die Grundlast der saarländischen öffentli¬
chen Stromerzeugung fahren, die Kraftwerke der Régie des Mines für die Mittellast her¬
angezogen werden und das Pumpspeicherwerk an der Saarschleife bei Orscholz Spit¬
zenstrom erzeugen sowie als kurzzeitige Reserve dienen. Das Kraftwerk Homburg
sollte stillgelegt werden und das RWE mit Ausnahme des Wasserkraftwerkes Mettlach
von der Belieferung des Saarlandes mit Braunkohlenstrom ausgeschaltet, langfristig
also eine Abkapselung des Saarlandes von Stromimporten aus Deutschland angestrebt
werden146. Diese Abschottung von Stromlieferungen erscheint angesichts der damali¬
gen Bemühungen vieler Energieversorgungsunternehmen um den Aufbau von Länder¬
grenzen überschreitenden Verbundsystemen rückständig und ist lediglich aus der sei¬
nerzeitigen politischen Situation zu erklären147. Der Widerstand von RWE, Pfalzwer-
ken und Régie des Mines gegen diese Pläne sowie Schwierigkeiten bei der Finanzierung
der neuen Kraftwerke ließen die Durchführung des Vorhabens zunächst in die Ferne
rücken.
Zur Bewältigung der Finanzierungsprobleme war eine Zeitlang auch der Plan verfolgt
worden, die Errichtung des Dampfkraftwerkes Ensdorf dem Schweizer Unternehmen
BBC, Baden (Kanton Aargau), zu übertragen. Die Vorfinanzierung wollte ein Schwei¬
zer Bankenkonsortium unter Leitung des Schweizer Bankvereins in Basel überneh¬
men. Die endgültige Konsolidierung sollte nach diesem Plan durch ein Darlehen der
International Bank for Reconstruction and Development (Weltbank, Washington) er¬
folgen. Das Saarland selbst war nicht Mitglied der Weltbank und des Internationalen
Währungsfonds. Die französische Regierung erklärte sich jedoch bereit, eine Staatsga¬
rantie für ein eventuelles Darlehen zu übernehmen. Das Haupthindernis dieses Finan¬
zierungsweges lag in der geringen Selbständigkeit und Handlungsfreiheit, die der saar¬
ländischen Regierung neben Frankreich verblieb. Auch dieser Fall dokumentiert die
unzureichende wirtschaftliche und politische Eigenständigkeit des Saarlandes in den
50er Jahren.148.
Inzwischen wurde die Lage für die saarländische Elektrizitätswirtschaft vor allem im
Winter immer problematischer, da sich die vorausberechneten Steigerungsraten der
Régie des Mines erwartungsgemäß als zu niedrig erwiesen hatten und der Bau des Kraft¬
werkes St. Barbara nur langsam vorankam149. Zusätzlich stellten die durch forcierte
Kriegs- und Nachkriegsarbeit überbeanspruchten Kraftwerke Wehrden und Homburg
einen Unsicherheitsfaktor dar. In Wehrden war z. B. im Herbst 1952 die Leistung in
Folge von Uberholungs- und Modernisierungsarbeiten von 76 auf 52 MW zurückgefal¬
len. Bei der geringen Gesamtkapazität der saarländischen Kraftwerke bedeutete dieser
heute gering erscheinende Ausfall eine erhebliche Beeinträchtigung. So hatte die VSE
146 Vgl. LASbr. MW 611.
147 1951 wurde z.B. dieU.C.P.T.E. (Union pour la Coordination de la Production et du Trans¬
port de l’Electricité) gegründet, die die Staaten Belgien, Frankreich, Bundesrepublik
Deutschland, Italien, Luxemburg, Niederlande, Österreich und Schweiz umfaßte, vgl.
Bo 11 (1967), S. 85f.
148 LA Sbr. AA 558, 03.06.1953.
149 Vgl. zu St. Barbara: Das Kraftwerk von Hangard (1950), S. 45ff.; Das Kraftwerk St. Barbara
(1956), H. 1S. 14f.; Meyer (1957), H. 4S. 7ff. Hinzu trat später das Problem, daß die eigens
für das Kraftwerk angelegte Schachtanlage die Hoffnungen nicht erfüllte und statt 8.000 t
nur 3.000 t Nettoförderung täglich möglich waren, vgl. Blind (1956), S. 46.
281