dritten Ausbau sollten zwei Höchstdruck-Vorschaltturbinen von je 25 MW und zwei
zugehörige nachgeschaltete Kondensationsturbinen mit je 150 MW in einer unterirdi¬
schen Anlage zur Aufstellung kommen, um einen Schutz vor Bombenangriffen zu ge¬
währleisten. Leitender Gesichtspunkt für diese Entscheidung war die Tatsache, daß seit
1943 in starkem Maße Fertigungsstätten in der Region unterirdisch angelegt und ausge¬
baut wurden, die alle in ihrem Betrieb von einer absolut sicheren Stromversorgung ab¬
hängig waren66. Die Saargruben AG reichte ihrerseits ebenfalls Pläne zum Neubau
eines Kraftwerkes an den Generalinspektor zur Prüfung und Genehmigung ein. Bei
einem Vergleich der vorliegenden Projekte stellte es sich heraus, daß weder das Wehr-
dener noch das Saargruben-Vorhaben schnell verwirklicht werden konnten. Die be¬
sten Voraussetzungen für ein leistungsfähiges Kraftwerk mit günstiger Stromerzeu¬
gung bot der Standort Ensdorf an der Saar. Hier wollte die VSE ein Kraftwerk erbauen,
das neben der Deckung des Bedarfs im eigenen Versorgungsgebiet „für den Stromex¬
port nach Süddeutschland“ gedacht war67. Dieser 20 Jahre später verwirklichte Plan
stieß beim GIWE auf großes Interesse. Auch das Projekt der Errichtung eines Pump¬
speicherwerkes durch die VSE bei Mettlach, das in den 50er Jahren erneut zur Diskus¬
sion stand, stammte aus der Kriegszeit68. Das Ende des Krieges ließ eine Verwirkli¬
chung all dieser Pläne nicht mehr zu.
Ein weiteres Problem einer gesicherten Elektrizitätsversorgung, das allerdings auch das
gesamte produzierende Gewerbe betraf, lag darin, daß mit fortwährender Kriegsdauer
sämtliche Maschinen- und Anlagenteile bis an die äußerste Grenze beansprucht wur¬
den, da notwendige gründliche Überholungen und Reparaturen immer wieder zurück¬
gestellt wurden. Es gab aber auch andere, im System der NS-Wirtschaft verankerte Ur¬
sachen dafür, daß die NS-KriegsWirtschaft weniger reibungslos funktionierte, als es
nach außen oft erschien. Die andauernde Rivalität zwischen Parteistellen und staatli¬
chen Ämtern, wie sie sich bereits bei den Fusionsbestrebungen von VSE und Pfalzwer¬
ke offenbart hatte, verhinderte auch in anderen Bereichen durch Kompetenzstreitig¬
keiten die Verwirklichung mancher groß angelegter Pläne. So sollten in der Nähe von
Folpersweiler bei Saargemünd unter dem Tarnnamen „Kalk I-III“ und bei Auersma¬
cher unter dem Namen „Saar“ unterirdisch gelagerte Rüstungsbetriebe mit einer Be¬
legschaft von über 6.000 Arbeitern errichtet werden69. Die Stromversorgung dieser
rein auf elektrischer Energie basierenden Produktionsstätten stand für „Saar“ auf¬
grund der Lage im Versorgungsgebiet eindeutig der VSE zu. Folpersweiler dagegen lag
in dem von den Pfalzwerken bzw. Westmarkwerken beanspruchten Bereich, weshalb
letztere die Stromversorgung für sich reklamierten.
In einer Besprechung vom 22. Oktober 1943 gab das Oberkommando des Heeres als
zuständiger Bauträger den Zuschlag an die VSE, da deren Leitung von Sitterswald bis
Folpersweiler lediglich 11 km Länge aufwies, während die PW/WMW von ihrem Um-
66 Die unterirdische Verlagerung von Produktionsstätten hatte einen gewichtigen Anteil
daran, daß die Luftangriffe der Alliierten nicht das angestrebte Ziel erreichten, vgl. Wolf
(1985), S. 135ff.; zu den Schutzmaßnahmen für Kraftwerke und Netz vgl. German Electric
Utilities Industry Report (1976), S. 31ff.
67 BA R 4/211, GIWE v. 15.10.1942, 04.04.1943.
68 Ebd. R 113/1453, Reichsstatthalter für die Westmark, 15.06.1944.
69 Ebd. R 3/3010, p. 34; weitere unterirdische Prduktionsstätten (z.T. für künftigen Einsatz)
der Region sind hier aufgeführt (p. 37, 48, 50).
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