Gründen“ zu beschleunigen37. Die VSE fühlte sich mittlerweile aber so gefestigt, die¬
ses Ansinnen — in vorsichtigen Worten — als Zeitverschwendung in Anbetracht „der
Überlastung aller Kräfte durch die Kriegserfordernisse“ zu werten und beharrte auf der
Fusion im Verhältnis von 1:138. Inzwischen hatten Berechnungen nämlich ergeben,
daß eine VSE-Aktie einen Wert von 1,78 WMW-Aktien ohne Tarifangleichung und
von 2,29 WMW-Aktien mit Tarifangleichung aufwies. Eine erste Aufforderung von
Todt zur Fusion ohne neues Gutachten hatte der Aufsichtsrat der VSE deshalb bereits
rundweg abgelehnt39. Nachfolger des bei einem Flugzeugunglück ums Leben gekom¬
menen Todt wurde Albert Speer40. Dieser begann Mitte 1942 erneut das umständliche
Verfahren zur Festsetzung der Werte der beiden Unternehmungen. Wieder mußten
die zahlenmäßig dezimierten Mitarbeiter der VSE zeitaufwendige Prüfungen an
Anlage- und sonstigen Werten durchführen — ein Beispiel für die zunehmende Ineffi¬
zienz der zentralgesteuerten Kriegswirtschaft. An die kommunalen Aktionäre von
WMW und VSE erging schließlich der Befehl des Gauleiters Bürckel, ihre Aktien an
den Kreistag Pfalz zu pari abzugeben. Diese Aktienübertragung gelang allerdings nur
in der Pfalz41. Die Städte Ludwigshafen, Homburg, Frankenthal, Kaiserslautern,
Speyer, Zweibrücken, Landau und Grünstadt, die Gemeinden Westheim, Ingenheim
und Ungstein sowie die Stadtsparkasse Frankenthal übertrugen zwangsweise ihre Be¬
teiligungen an den Westmarkwerken in Höhe von 2,593 Mio RM = 16,21% an den Be¬
zirksverband Pfalz, so daß letzterer mit 72,15% und das RWE mit 27,85% als Aktionäre
verblieben. Bei der VSE scheiterte dieser Versuch, da „die Aktionäre einer sehr starken
und lebhaften Unterstützung von Seiten der Preußenelektra sicher waren“, wie das
Vorstandsmitglied Hergt der Pfalzwerke nach dem Krieg berichtete42.
Gegen allen Widerstand der VSE nahm die Gauleitung schließlich den Führererlaß
über Kriegsmaßnahmen der Elektrizitätswirtschaft vom 06.08.1943 für ihre Ziele zu
Hilfe43. Der Vorsitzende der Rüstungsinspektion Xllb, Kelchner, früher Prokurist
der Pfalzwerke und später Direktor der Westmarkwerke, Bezirksdirektion Metz, ver¬
pflichtete WMW und VSE, unter dem 26.05./02.06.1944 einen „Vertrag über die tech-
37 LA Speyer T 21 Nr. 153, Beschluß v. 12.02.1942; VSE-AHV, 21.01.1942.
38 VSE-AHV, Aufsichtsratssitzung v. 08.02.1942.
39 LA Speyer, T 21 Nr. 153, 24.02.1942.
40 Speer wurde am 15.02.1942 ernannt (RGBl I, S. 80); ausführliches Material über die näheren
Umstände vgl. BA R 43 II/375d.
41 Erlaß des Reichsstatthalters in der Westmark und Chef der Zivilverwaltung in Lothringen
v. 22.07.1942 (StadtASbr. Best. Brebach 784,15.10.1942); LA Speyer T21 Nr. 156, Übersicht
über den Stand am 10.02,1943 über die Kapitalbeteiligungen der EVU in der Westmark.
42 LA Speyer, T 21 - 153, Aufsichtsratssitzung v. 15.11.1945.
43 RGBl I, S. 479, § 1: Der Generalinspektor für Wasser und Energie hat alle Maßnahmen zum
kriegswirtschaftlich zweckmäßigsten Einsatz der Elektrizitätsbetriebe zu treffen. Er kann
hierfür für die Dauer des Krieges über die Anlagen, das Material und Personal in den Elektri¬
zitätsbetrieben verfügen. Die Eigentums- und Vermögensverhältnisse an den Elektrizitäts¬
betrieben dürfen hierdurch nicht berührt werden. Auch dieser Erlaß hatte eine längere Vor¬
geschichte. Hitler wandte sich wiederholt gegen die Entwürfe Speers, da sie ihm zu starke
„Verreichlichungstendenzen“ hatten und zuviel „Staatssozialismus“ beinhalteten. Immer
wieder erneuerte er seine Vorstellungen „jedem Bauer am Bach seine Wasserkraft“, „jedem
Bauer mit Wind seine Windkraft“ usw. und wiederholte seinen Wunsch, daß viele kleine
Elektrizitätswerke von den Gemeinden selbst betrieben werden sollten, ein deutlicher
Widerspruch zur Realität (vgl. BA R 43 II/378a, p. 70f.; R 43 II/379a, 205ff., passim).
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