Full text: Geschichte der Elektrizitätsversorgung des Saarlandes unter besonderer Berücksichtigung der Vereinigten Saar-Elektrizitäts-AG (17)

Hinter den kommunalen Interessen stand der Reichs- und Preußische Innenminister 
Frick, der in der Konzeptionsphase des Gesetzes einen folgenreichen Erlaß heraus¬ 
gab23. Da seiner Einschätzung nach die großen Energieversorgungsunternehmen be¬ 
gannen, Gemeindewerke zu übernehmen, um ihre Position vor dem Inkrafttreten des 
Energiewirtschaftsgesetzes zu stärken, forderte er die Gemeinden in seiner Eigenschaft 
als oberste Kommunalaufsicht zu äußerster Zurückhaltung bei Vertragsverhandlun- 
gen auf24. Vor dem Abschluß von Konzessions- oder sonstigen Verträgen mit längerer 
Laufzeit mußten die Gemeinden beim Deutschen Gemeindetag zunächst generell um 
Sachverständigenbeistand anfragen und sich in Einzelfällen zusätzlich der Zustim¬ 
mung des Reichsinnenministeriums versichern. Lief ein Konzessionsvertrag beispiels¬ 
weise ab, zog sich der Abschluß eines neuen Vertrages in der Folgezeit oft jahrelang 
dahin. Dieser vertragslose Zustand, der „die Weiterentwicklung der Energiewirtschaft 
praktisch lahmlegte“, wie Reichswirtschaftsminister Schacht befürchtete25, verhin¬ 
derte auf Grund der ungewissen Zukunftsaussichten größere Investitionen der Versor¬ 
gungsunternehmen. Obwohl Schacht in diesem Erlaß eine „andauernde Durchkreu¬ 
zung meiner Energiepolitik unter dem Deckmantel der Kommunalaufsicht“ 
erblickte26, wurde der Runderlaß Fricks auch nach Verkündung des Energiewirt¬ 
schaftsgesetzes nicht aufgehoben und bot Anlaß für fortwährende Streitigkeiten27. Im 
Versorgungsgebiet der VSE zeitigte dieses Kompetenzgerangel beispielsweise Auswir¬ 
kungen auf die Stromlieferungsverträge des Unternehmens mit den Städten Neunkir¬ 
chen und Saarlouis, die nach 1936 bis in den Krieg hinein teilweise ohne vertragliche 
Grundlage, dafür mit entsprechenden Schwierigkeiten beliefert werden mußten28. 
Schacht stellte in seiner Saarbrücker Rede die bis heute gültigen Grundprinzipien des 
kommenden Energiewirtschaftsgesetzes heraus: „Der eine ist die möglichste Billigkeit 
und der andere die möglichste Sicherheit der Versorgung mit elektrischer Energie“29. 
Im Zeichen des gerade verabschiedeten zweiten Vier jahresplanes, der ganz der Kriegs¬ 
vorbereitung der deutschen Wirtschaft dienen sollte, rückte Schacht zunächst die 
Sicherheit der Versorgung in den Mittelpunkt seiner Ausführungen30. Ein Zusam¬ 
menarbeiten und Ineinanderarbeiten der verschiedenen Energiequellen unter zentraler 
Aufsicht propagierte Schacht zur Erreichung dieses Versorgungszieles. Die „Billigkeit 
der Energieversorgung“ sollte den Zweck haben, Industrie, Gewerbe und Landwirt¬ 
schaft zu solchen Preisen mit Energie zu versorgen, daß sie „im Kampf der Ernährung 
des deutschen Volkes“ sowie im Wettbewerb auf den Auslandsmärkten Unterstützung 
23 Runderlaß v. 15.08.1935, MBliV, S. 1035. 
24 BA R 43 11/343, p. 103ff. 
25 Ebd. R 43 II/ 346, p. 77ff. 
26 Ebd., p. 90. 
27 Hauptsächlichste Kontrahenten waren RWM, WEV, REV und das Amt für Technik der 
NSDAP auf der einen und das RMdl, der Deutsche Gemeindetag und das Amt für Kommu¬ 
nalpolitik der NSDAP auf der anderen Seite; vgl. auch Ludwig (1984), S. 437. 
28 BA R 12 11/358, VSE v. 09.11.1938, Aktenvermerk v. 20.10.1938, passim; BA R 12 11/403, 
VSE v. 07.12.1941, 25.09.1942; BA R 4/210, Gutachten v. 26.01.1939. 
29 Vgl. EW 34 (1935), S. 622. Zumindest bis zur Regierungserklärung des saarländischen Mini¬ 
sterpräsidenten Oskar Lafontaine am 09.04.1985 vor dem Landtag schien der Grundsatz der 
Preiswürdigkeit unumstritten, seither sind auch hier Zweifel erlaubt, vgl. Regierungspro¬ 
gramm 1985, hrsg. v. SPD-Landesverband Saar, S. 27f. 
30 Vgl. EW 34 (1935), S. 622; Förster (1935/36), S. 1647ff. 
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