IV. Die Zeit unter dem Völkerbund
1. Der Versailler Vertrag und seine Folgen
Der Waffenstillstandsvertrag und der Versailler Friedensvertrag trafen das Saarrevier
besonders hart1. Die alte deutsch-französische Grenze wurde in ihrem Verlauf vor
1870 wiederhergestellt, Elsaß-Lothringen an Frankreich zurückgegeben. Die Saarwirt¬
schaft wurde erneut Grenzlandwirtschaft und teilte damit beispielsweise das Schicksal
des ehemaligen Großherzogtums Baden. Während letzteres aber im Verband des Deut¬
schen Reiches verblieb, trennten die Siegermächte das Industriegebiet an der mittleren
Saar von Deutschland ab, faßten es politisch zu einer Einheit zusammen und unterstell¬
ten es für die Dauer von 15 Jahren einem Sonderregime des Völkerbundes.
Das Statut für das Saarindustrierevier (= Teil III, Abschnitt 4 (Artikel 45-50) des Ver¬
sailler Vertrages) regelte die Grundzüge der neuen politischen und wirtschaftlichen
Lage des jetzt „Saargebiet“ genannten Landes2. Das Eigentum an den Kohlengruben
an der Saar mußte mit dem ausschließlichen Ausbeutungsrecht an Frankreich abgetre¬
ten werden, Reparation des Deutschen Reiches als Ersatz für die Zerstörungen der
Kohlengruben Nordfrankreichs und Anzahlung auf die völlige Wiedergutmachung
der Kriegsschäden, wie es im Vertrag ausdrücklich festgehalten wurde3. Mit dem In¬
krafttreten des Versailler Vertrages am 10. Januar 1920 übernahmen die Mines Doma¬
niales Françaises de la Sarre (MDF) die Verwaltung der Saargruben in der Form eines
reinen Staatsbetriebes4. § 48 des Versailler Vertrages regelte den Umfang des neuen
Saargebietes („Saarbeckengebiet“): Es umfaßte danach die ehemals preußischen Kreise
Saarbrücken Stadt und Land, Ottweiler und Saarlouis, Teile der Kreise Merzig und St.
Wendel, das bayerische Bezirksamt St. Ingbert und Teile der Bezirksämter Homburg
und Zweibrücken5, zusammen ein Gebiet von 1.922,6 qkm6.
Der Völkerbundsrat ernannte für das Saargebiet eine Regierungskommission von fünf
Mitgliedern, die aus einem Franzosen, einem aus dem Saargebiet stammenden und dort
ansässigen Nichtfranzosen und drei weiteren Mitgliedern bestand, die weder Deutsche
noch Franzosen sein durften7. Geltende Gesetze und Verordnungen blieben in Kraft8.
1 Vgl. Herrmann (1972), S. 30ff., 63ff.; Zenner (1966), Das Saargebiet (1929); Sole¬
macher (1925); Hirsch (1954); Schwabe (1985), S. 17ff.
2 Das Saarstatut (1934) (vgl. ebf. Anm. 3).
3 „Als Ersatz für die Zerstörung der Kohlengruben in Nordfrankreich und als Anzahlung auf
die von Deutschland geschuldete völlige Wiedergutmachung der Kriegsschäden tritt
Deutschland das volle und unbeschränkte, völlig schulden- und lastenfreie Eigentum an den
Kohlengruben im Saargebiet, wie es in Art. 48 begrenzt ist, mit dem ausschließlichen Aus¬
beutungsrecht an Frankreich ab“ (Art. 45 Versailler Vertrag). Grundsätzlich sollte das Saar¬
statut in einer späteren, berichtigten Übersetzung herangezogen werden, da die amtliche Fas¬
sung (RGBl 1919, S. 687ff.) einige sinnentstellende Fehler aufweist, vgl. Das Saarstatut in
neuer, berichtigter Übersetzung (1934), S. 363ff.
4 Vgl. Herrmann (1974), S. 75; Cartellieri, Saargruben (1929), S. 2lff.
5 Vgl. Saarpfalz (1922), S. 434ff.; Pöhlmann (1929), S. 121 ff.; Jacob (1926), S. 40ff.;
Häberle (1927).
6 Wirtschaft und Statistik 5 (1925), S. 72.
7 Saarstatut, Kap. II (§§ 16-33), Regierung des Saarbeckengebiets.
8 Ebd., § 23.
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