Full text: Die Tholeyer Abtslisten des Mittelalters

und Abt an einer Fortführung der memoria verklammert auch im Falle von Tholey 
die Zeiten und Personen: die Abte der Frühzeit, den Bischofsabbatiat des Hatto 
von Verdun, die Redaktion*X des Abtes Philipp von Hagen um 1346 und schlie߬ 
lich die Kodifikation der Redaktion *Y unter dem Reformabt Gerhard von Has¬ 
selt1155. 
So werden die Abtslisten zu einer eigenständigen und nicht gering zu schätzenden 
Quelle für die Geschichte der Abtei. Aus den Anfängen einer von einem Adligen 
der Merowingerzeit gestifteten Klerikergemeinschaft erwächst - wohl seit dem 9. 
Jahrhundert - ein benediktinisches Kloster. Die Positionen zwischen dem Eigen¬ 
kirchenherrn, der Kirche von Verdun, und dem Diözesanoberen, dem Trierer Bi¬ 
schof, wechseln. Im 9. Jahrhundert legt vorübergehend auch das Königtum die 
Hand auf das Kloster. Die Verduner Bischöfe nehmen den gefährdeten Außenpo¬ 
sten alsbald bis in die zweite Hälfte des 10. Jahrhunderts in den Schutz einer Perso¬ 
nalunion zwischen Abt und Bischof. Erst im Zuge der lothringischen Benedikti¬ 
nerreform erhält Tholey wieder reguläre Abte, der Verduner Einfluß bleibt jedoch 
bis ans Ende des elften Jahrhunderts dominant. Im 12. Jahrhundert verstärkt Trier 
erfolgreich seine Bemühungen um die Abtei, deren Kirche längst Sitz eines Trierer 
Archidiakonats ist. Im 13. Jahrhundert gewinnt Verdun seine weltliche Gewalt 
über Tholey wieder, ein juristischer Kompromiß bestimmt von nun an die Posi¬ 
tion der Abtei zwischen Trier und Verdun. Das Ende des Jahrhunderts bringt den 
Neubau des Klosters. Im 14. Jahrhundert verstärkt sich endgültig die Trierer Do¬ 
minanz in Tholey; die Adelsgeschlechter der Umgebung, die Hagen, Oberstein 
und Sötern, erobern die Abbatiate des Jahrhunderts und dominieren auch noch in 
der ersten Hälfte des 15. Jahrhunderts. Tholey ist ein kleiner, von adligen Insassen 
geprägter Konvent geworden, das Benediktinertum der Konventualen ist äußerli¬ 
che Form. Dem Verfall des inneren Lebens entspricht der durch Kriege und Plün¬ 
derungen verursachte äußere Ruin. Die Reform ist überfällig. Dennoch scheitern 
mehrere erste Ansätze. Erst das Eingreifen des Trierer Erzbischofs zugunsten der 
Reform bringt den Durchbruch. Tholey erringt am Beginn der Neuzeit noch ein¬ 
mal eine geachtete Position unter den Benediktinerklöstern Deutschlands im Rah¬ 
men der Bursfelder Kongregation. Doch nun wäre eine neue Geschichte zu schrei¬ 
ben, von der wir schweigen müssen. 
1155 Vgl. auch Sot, Gesta 19 mit Hinweis auf die Begründung der Initiative des Bischofs Dado 
von Verdun um 916/17 für die Anlage der,Gesta episcoporum Virdunensium1 — ne autem 
penitus oblivioni traderetur antecessorum vestrorum sacrosancta memoria (MG SS IV 40). Be¬ 
reits 893 hatte Dado die Taten seiner unmittelbaren Vorgänger Hatto und Berhard aufge- 
zeichnet: . . .coepi, . .priorum pontificum facta ad memonam reducere, et eorum a nostrae 
ecclesiaefidelibus sedulo ac salubriter investigare. Idcirco etenim facta orthodoxorum praesulum 
litteris annotavi, ut eorum memoria sit nobiscum aeterna, quorum nomina in caelo credimus 
aeternaliter esse scripta (MG SS IV 37). Zum Genus der ,Gesta episcoporum' vgl. auch Sot, 
Organisation 31 ffi 
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