Full text: Die Tholeyer Abtslisten des Mittelalters

nutricius des 575 bis 596 regierenden Sigibert-Sohnes Childebert II. (nicht des bei 
Fredegar fälschlich genannten Sigibert) bestätigt483. Vielleicht ist an der Erzählung 
des späten Austrasiers über das abgelehnte Maiordomat Chrodins etwas Wahres, 
in Wesentlichem beruht jedoch sein Bericht auf der Sage des 7. Jahrhunderts, die 
sich der Figur des Chrodinus bemächtigt hatte. Sie ist nicht wertlos, denn sie gibt 
uns Aufschluß über das Selbstbewußtsein von Chrodins Familie um diese Zeit. 
Wenn die Sage den Helden mit allen Adligen Austrasiens verwandt sein läßt, so 
drückt sich darin der Geschlechtsstolz seiner Nachkommen aus. Man scheint ihn 
als Spitzenahn aufgefaßt zu haben. Familienüberlieferung hat auch den Bericht 
Gregors um eine Schatzsage ergänzt, welche den Reichtum des dux erklären soll 
und seine Frömmigkeit illustriert, denn er gibt den irdischen Schatz dahin, um sich 
einen himmlischen zu erwerben484: 
Eo anno Rodinus dux moritur, verum aelimosinarius et bonitate plenissimus, 
iustus in cunctis, piissemus in pauperibus. Qui dum quadam vicem, ut consua- 
verat, mortuum sepelire preciperat, ad quadam monimento cum cultris pueri 
fossam facerint, levata lapide, invinit mirum magnitudinis thinsaurum etsole- 
dorum multitudinem. Hoc sibi proprium verum censuit, quem sine intermis¬ 
sione fideliter pauperibus erogavit. Aequanimiter eum fide reddedit hoc thin¬ 
saurum, a quem acciperat. 
Die Familie Chrodins also betrachtete sich um die Mitte des 7. Jahrhunderts als ei¬ 
ne der führenden Austrasiens, die zudem zahlreiche Verwandtschaftsbande mit 
anderen Gruppen Austrasiens geknüpft hatte. 
Diese Bestimmung trifft auf eine Adelsfamilie zu, die mit Abt Chrodoin I. (682/ 
83)485, mit dem gleichnamigen clericus und notarius (695-717)486, mit dem Grund¬ 
herrn und Schenker Chrodoin III. (712- vor 726/27), dem Sohn des Petrus, dessen 
Vorfahren schon an Weißenburg schenkten487, und mit dem Mönch desselben Na¬ 
mens (700-727/36)488 lenkend in die Geschichte der Vogesenabtei Weißenburg 
483 Gregor, Hist. Franc. IV 46, ed. Büchner I 366. Vgl. Weidemann, Kulturgeschichte I 100. 
484 MG SS rer. Mer. II 117. 
485 Glöckner/Doll, Traditiones Wizenburgenses Nr. 213. 
486 Ebling, Prosopographie 120 Nr. CXXXV; Glöckner/ Doll, Traditiones Wizenburgenses 
115 n., wo er für identisch mit manchen der Grundherren und Zeugen desselben Namens 
aus den frühen Weißenburger Urkunden gehalten wird (vgl. Anm. 487). Jedenfalls tritt der 
clericus auch selbst als Schenker auf. 
487 Vgl. Glöckner/Doll, Traditiones Wizenburgenses Nr. 232. 196. 227. 194. 224. 195. In Nr. 
257 (726/27) agiert bereits Gebhart, der Sohn des Chrodoin; er selbst wird als verstorben er¬ 
wähnt. In Nr. 227 (718) wird eine Schenkung der Vorfahren an Kloster Weißenburg er¬ 
wähnt, so daß wir die Familie bereits für das 7. Jh. zu den fundatores der Abtei rechnen 
dürfen. 
488 Glöckner/Doll, Traditiones Wizenburgenses Nr. 242. 247. 
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