Bei der nahen Verbindung von Heberiaca villa und der Mauritiuskirche von Beau-
lieu in der Urkunde Pippins von 702, bei der Zugehörigkeit beider zum Fiskalgut
liegt es nahe, die von Childerich II. an Beaulieu geschenkte villa Ermeriaca in
*Euueriaca zu emendieren, welcher Siedlungsname ebenfalls zu Ebur bzw. einer
westfränkisch häufig belegten orthographischen Variante mit <uu> für intervo-
kalisches germanisches /b/, also Ewur, Ever gestellt werden muß. Die paläogra-
phisch leicht mögliche Verlesung kann schon Richard von St. Vanne beim Studium
des Klosterarchivs von Beaulieu unterlaufen sein, vielleicht aber auch erst dem Ab¬
schreiber der nur kopial überlieferten ,Vita S. Chraudingi*.
Jedenfalls läßt sich festhalten, daß Beaulieu innerhalb eines Fiskalbezirks der südli¬
chen Argonnen begründet wurde. Als Chraudingus seine Stiftung der Kirche von
Verdun unterstellen wollte, wurde das von den pippinidischen Hausmeiern nicht
akzeptiert. Das zeigt im Grunde schon die Formulierung der Urkunde von 702
terminatio fiscalina de Heberiaca villa et sancti Mauritii, deutlicher aber noch die
Nachricht der ,Gesta episcoporum Virdunensium' des Berthar, daß unter einem
Chorbischof namens Amalbert die Verduner Kirche
perdidit...Waslogium (Waly) et Tilliacum (Tilly-sur-Meuse) et Stagnum
(Etain) et Merlam (Merles) et Casam Petriam (Chassepierre a. d. Chiers) et
alia quam plurima...
Berthar datiert:
Fuit enim hoc sub tempore Karoli MagnP72h.
Da es zwischen den Bischöfen Madalveus (f 775/81) und Petrus (781-nach 794)
für eine - wie Berthar angibt - zwölfjährige Sedisvakanz unter dem Vikariat des
Chorbischofs Amalbert keinen Platz gibt, da Etain schon in den ersten Jahrzehn¬
ten des 8. Jahrhunderts von Bischof Leodewin von Trier, einem Anhänger Karl
Martells, an die Kirche St. Eucharius zu Trier gegeben wurde, da für Merles und
Chassepierre Berthar selbst bei Behandlung von Karl Martell angibt:
eas sui satellites invaserant,
muß sich Berthar bei der zeitlichen Einordnung geirrt haben. Nicht unter Karl
dem Großen, sondern unter Karl Martell war die Nachricht, die er über Güterent¬
fremdungen der Verduner Kirche vorfand, einzuordnen. Die Inanspruchnahme
von Beaulieu durch Karl Martell entsprach im übrigen ganz der Entwicklung der
pippinidischen Klosterpolitik, die auf Zerschlagung der Bischofsstaaten, die Bre¬
chung der potestas der Bischöfe im gallischen Raum hinauslief, wobei als Instru¬
ment vorwiegend die Fiskalisierung bischöflicher Klöster eingesetzt wurde472c.
Insbesondere mußte Pippin dem Mittleren und seinem Sohn daran gelegen sein,
472b MG SS IV 44. Vgl. zur zeitlichen Einordnung dieser Notiz Haubrichs, Urkunde Pippin,
Anm. 124.
472c Vgl. vor allem Prinz, Klerus 64; Gauthier, Evangélisation 539 ff.; Semmler, Episcopi
potestas 316 ff.
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