riaca (var. Domeriaca)447 dem Abt übergibt, die Abtei in seinen Schutz nimmt, ihr
die Immunität verleiht und dem Bischof von Verdun als dem Diözesan die ordines
sacri und die benedictio reserviert. Erneut zieht es danach den Klostergründer in
den eremus, um sich der divina contemplatio hinzugeben. Zuvor aber setzt er cum
consensu fratrum den Mönch Stephan als Abt ein.
Unweit des Klosters läßt sich der Anachoret an einem locus horroris et vastae soli¬
tudinis nieder. Zu hohen Festtagen und auch gelegentlich nachts - zu Zwecken der
Predigt und correctio - kehrt der Einsiedler ins Kloster zurück. Aus dieser mühsa¬
men Arbeit ruft ihn Gott an einem 17. September zu sich. Man begräbt den Heili¬
gen in der Klosterkirche ante aram S. Johannis Euangelistae.
Es ist deutlich, daß Richards Werk vor allem zwei Ziele verfolgt, ein materielles
und ein spirituelles447*. Er will zum einen den Besitz und den Rechtsstatus des Klo¬
sters sichern, er will zum andern im Leben des Chraudingus ein Exempel heiliger
Existenz fixieren, in dem sich monastische und anachoretische Strömungen und
Wünsche seiner Zeit, ja vielleicht seiner Person auf eigenartige Weise mischen. Die
Unmöglichkeit und Möglichkeit der Vereinbarung von anachoretischer Existenz
als höchster Stufe der zu erreichenden Heiligkeit des Einzelnen und von coenobiti-
scher Existenz als der Notwendigkeit der Vielen wird diskutiert. Deswegen bricht
Chraudingus stets von neuem zur peregrinatio in den eremus auf, nachdem er eine
monastische Gemeinschaft stabilisiert und der vita regularis unterworfen hat. Der
seit der Zeit Benedikts virulente Gegensatz zwischen den verschiedenen genera
monachorum, den peregrini, wie sie vor allem Irland hervorbrachte, den eremiti
und den coenobiti wird in der Person des Chraudingus überwunden. Und er ver¬
hält sich in seinem Streben nach der Anachorese so, wie die Regel Benedikts (c. 1)
den wahren Eremiten beschreibt: Ein solcher nimmt das anachoretische Mönchs¬
leben „nicht im ersten Eifer des Anfängers auf“, sondern hat „eine lange Zeit der
Prüfung und Bewährung im Kloster verbracht. Durch die Hilfe vieler Brüder ge¬
schult“, hat er gelernt, „gegen den Teufel zu kämpfen“. So also nimmt Chraudin¬
gus trefflich gerüstet den Einzelkampf im eremus auf. Er geht den Weg des Paulus
von Verdun, dessen Vita Richard kannte und verwandte, in umgekehrter, in wahr¬
haft benediktinischer Richtung. Die Kunst des weichen Übergangs von der coeno-
bitischen zur anachoretischen Existenz demonstriert Chraudingus gleich mehr¬
fach. Diesen für Richard wichtigen Motivkomplex hat sein Freund Eberwin in der
447 Zur Identifizierung von Ermeriaca vgl. u. S. 108 ff. In der von Menard edierten zwei¬
ten Fassung der „Vita S. Chraudingi“ findet sich die Variante Domeriaca, die - falls es
sich nicht um einen Lesefehler handeln sollte-durchaus den Reflex einer zweiten Schen¬
kung bilden könnte, läßt sie sich doch innerhalb des Verdunois identifizieren mit Dom¬
prix (Meurthe-et-Moselle, Ka. Audun-le-Roman), 1064 Domereis (Herbomez, Cart.
Gorze Nr. 137), um 1600 de Dommerego (Longnon/Carrière, Pouillés Trêves 375).
447aBeaulieu wurde durch Abt Richard umfassend reformiert und restauriert ... inter quas
Bellogiensis ecclesia meritis gloriosi martyris Mauritii insignis, et sancti Rodingi confesso¬
ris, cuius ipse vitam honorifico sermone composuit, et feretrum auro et argento decoravit,
exstat eius sacris studiis nobilitata, cuius fastidium augmentavit, claustro et necessariis officinis
adornavit, variisque utensilibus ditavit. MG SS Xi 286.
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