2. Das System der militäradministrativen Kontrolle
Als die französischen Besatzungstruppen vom 10, Juli 1945 an die amerikanischen Ein¬
heiten im Saarland ablösten, war aufgrund einer Anordnung des örtlichen Befehlshabers
der amerikanischen Streitkräfte, Oberst Louis C. Kelly, die Verwaltungseinheit des frü¬
heren Regierungsbezirks Saarbrücken bereits wieder eingerichtet worden. Zum Regie¬
rungspräsidenten hatten die Amerikaner am 4. Mai 1945 den Saarbrücker Rechtsanwalt
Dr. Hans Neureuter berufen. Während der amerikanischen Besatzungszeit unterstand der
Regierungsbezirk Saarbrücken dem Oberpräsidium „Mittelrhein-Saar“ mit Sitz in Neu¬
stadt an der Weinstraße. Zu dessen Zuständigkeitsbereich gehörten zuerst nur die Pfalz,
das Saarland, Rheinhessen und der ehemalige Regierungsbezirk Darmstadt, bevor er nach
einer entsprechenden Neuorganisation um die Regierungsbezirke Trier und Koblenz er¬
weitert wurde. Mit der Bildung einer provisorischen Zentralregierung in Neustadt beauf¬
tragten die Amerikaner am 6. Mai 1945 den früheren Bürgermeister von Mannheim, Her¬
mann Heimrich (SPD)32. Er wurde am 10. Mai 1945 zum Oberpräsidenten ernannt und
blieb in seinem Amt bis zur Übernahme des Gebiets durch die französische Besatzungs¬
armee im Juli 194 533. Wenn die Schulen in der Regel auch erst im Oktober 1945 wiederer¬
öffnet wurden, so haben doch schon die Amerikaner im pfälzisch-saarländischen Raum
mit dem Aufbau eines militärischen Kontrollsystems hinsichtlich des öffentlichen Bil¬
dungswesens begonnen. Mit Erlaß vom 28. Mai 1945 beanspruchte die ebenso wie das
Oberpräsidium in Neustadt an der Weinstraße residierende Regional Military Govern¬
ment für sich ihr Plazet für alle schulischen Personalfragen, für die Aufstellung von Lehr¬
plänen und Richtlinien, die Genehmigung von Unterrichtsmitteln, die Herausgabe von
pädagogischen Fachzeitschriften und für alle schulorganisatorischen Angelegenheiten
wie Schuleintritts- und -entlassungsalter, sachliche Leistungen für den Wiederaufbau von
Schulen, Ferientermine34. Damit war schon vor Ankunft der Franzosen jenes zweiglied¬
rige System der Schulaufsicht und Schulverwaltung etabliert, das in der Folge bis zum
Jahre 1947 auf der einen Seite eine weisende und kontrollierende Militäradministration
sah und auf der anderen Seite eine zivile deutsche Verwaltung.
Die lokale französische Militärregierung unter dem agilen und stark patriotisch einge¬
stellten Gaullisten Gilbert Grandval35, usurpierte dieses Grundprinzip militärgouverne-
mentaler Kontrolle und erklärte es für weiterhin verbindlich auf allen Ebenen der schuli¬
schen Aufsicht und Verwaltung. Die Spitze der für das deutsche Bildungswesen zustän¬
digen Behörden der französischen Militärregierung befand sich freilich vorerst nicht in
32 Nähere Auskünfte über die Wiedereinrichtung und Organisation des Regierungspräsidiums
Saarbrücken sowie seine Stellung gegenüber dem Oberpräsidium „Mittelrhein-Saar“ geben die
Akten im Bestand Regierungspräsidium Nr. 1 des LA Saarbrücken. Zur Entstehung und Ge¬
schichte der Verwaltungseinheit „Mittelrhein-Saar“ vgl. im einzelnen H. j. Wünschei, Sepa¬
ratismus, S. 35 ff. Vgl. auch R. H. Schmidt, Bd. 1, S. 157 ff.
33 Die Bildung einer französischen Besatzungszone wurde erst im Laufe der Monate Mai bis Juli
1945 entschieden und ihre Grenzen während der Potsdamer Konferenz festgelegt.
34 Nach einer Übersetzung des Erlasses des Hauptquartiers der amerikanischen Militärregierung —
Abteilung El A 2 — in Neustadt an der Weinstraße an die deutschen Schulbehörden vom 28. 5.
1945. LA Saarbrücken, Bestand Kreisschulamt Ottweiler, Nr. 1.
35 Zur Person Grandvals vor allem J. Hoffmann, Ziel, S. 24 f. und J. Freymond, S. 41. Siehe
dort auch S. 217 f. Ebenso F. Seydoux de Clausonne, S. 142 f. Polemisch, aber dennoch
recht aufschlußreich G. Perger (Pseudonym für Klaus Altmeyer), S. 4 ff.
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