müsse. Außerdem sei eine innenpolitische Stabilisierung wünschenswert, und da könne
ein außenpolitischer Erfolg nicht schaden. Bevin versicherte in seiner Antwort, daß seine
Regierung nunmehr a décidé d’appuyer, le moment venu, vos demandes sur la Sarre.
Die hier zitierte Quelle gibt darüber hinaus direkte Auskunft über die aufgeworfene Frage,
ob Frankreich die Saar im politischen Sinne hat annektieren wollen. Wenn man die fol¬
gende Zeugenaussage Bidaults nicht infrage stellt, so wird man sie unbedingt bejahen
müssen, da Bidault gegenüber Bevin ausdrücklich hervorhob, daß de Gaulle die Absicht
gehabt habe, die Saar in den französischen Staatsverband einzuverleiben. Er sagte wört¬
lich:
J’y (bezieht sich eindeutig auf den Begriff annexion politique) ai toujours été défavorable
et je m’y suis opposé lorsque c’était l'idée de de Gaulle. Mais depuis deux ans, je crie dans
le désert.21
Im nachfolgenden Gespräch mit Byrnes äußerte sich Bidault ähnlich:
Bien entendu, il ne saurait être question d’annexion politique. Je n’y ai, pour ma part, ja¬
mais été favorable et c’est moi-même qui me suis opposé à l’adoption de cette thèse par
de Gaulle.12
Bidault versicherte dann noch, daß die endgültige Entscheidung über die Zukunft der Saar
selbstverständlich einem Friedensvertrag Vorbehalten sei. In seiner Antwort konnte
Byrnes deswegen auf eine Unterstützungszusage in der Saarfrage verzichten, weil er in
seiner berühmt gewordenen Stuttgarter Rede am 6. 9. 1946 ein Plazet der Amerikaner für
eine wirtschaftliche Annexion in Aussicht gestellt hatte. Er beschränkte sich lediglich auf
die im Grunde vorwurfsvolle Bemerkung, daß er sich in dieser Ansprache davor gehütet
habe zu sagen, combien l’attitude de la France nous avait gêné dans notre désir d’établir
des administrations centrales en Allemagne,2i Es war eine Replik, in der nicht nur die re¬
lative Kühle dieser Begegnung spürbar wird, sondern auch ein außenpolitischer Gegen¬
satz der Perspektive. Für die Vereinigten Staaten waren die Auseinandersetzungen um die
Saar nicht mehr als eine störende Unebenheit in ihren weltweit georteten Strategien. Ein
wichtiger Faktor war dabei eine neue kräftige staatliche Ordnung für (West-)Deutsch-
land, und sie konnten auf französische Unterstützung und Zustimmung hoffen, wenn sich
das „préalable sarrois“ für Frankreich erfüllen würde. Andererseits zeigt der ausdrück¬
liche Verzicht Frankreichs auf eine politische Annexion an, daß auch Paris allmählich Ein-
21 Conversation entre M. Bidault et M. Bevin le 24 septembre 1946, S. 4 f. Die Quelle trägt den Ver¬
merk „Très Secret“. Ministère des Affaires Étrangères, Archives et Documentation, Bestand Z
Europe 1944 — 1949 juin. Sous-Direction de la Sarre an Quai d’Orsay, Nr. 17, Diese Stellung¬
nahme steht scheinbar in Widerspruch zu einer Aussage Bidaults in einer Fernsehsendung aus
dem Jahre 1976. Damals antwortete er auf die Frage, ob Frankreich das Saarland habe annek¬
tieren wollen, daß er sicherlich mehrere Male in diesem Sinne bei den Alliierten interverniert
habe. Bidault betonte aber in seiner Stellungnahme das wirtschaftliche Interesse seines Landes
derart deutlich, daß er eigentlich nur die vom Jahre 1946 an erstrebte wirtschaftliche Annexion
gemeint haben kann. Möglicherweise bezieht sich seine Aussage aber auch auf seine Aktivitäten
als Außenminister im Jahre 1945, Der Text des Interviews findet sich bei H. Kubensund R.
Lais, S. 3. Siehe auch die vorhergehende Anm.
22 Conversation entre M. Bidault et M. Byrnes le 24 septembre 1946, S. 6 f. Die Quelle trägt den
Vermerk „Très Secret“. Ministère des Affaires Étrangères, Archives et Documentation, Bestand
Z Europe 1944 — 1949 juin. Sous-Direction de la Sarre au Quai d’Orsay, Nr. 17.
23 Conversation entre M. Bidault et M. Byrnes le 24 septembre 1946, S. 7. Ministère des Affaires
Étrangères, Archives et Documentation, Bestand Z Europe 1944 - 1949 juin. Sous-Direction de
la Sarre au Quai d’Orsay, Nr. 17.
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