durchblicken, daß die Schulangelegenheit künftig nur noch Sache der deutschen Be¬
hörden sein würden174. Aber erst mit dem Inkrafttreten des Besatzungsstatuts im Jahre
1949, als die Militärregierung ihre Verfügungsgewalt über die deutsche Schule verlor,
kam das endgültige Ende solcher Rückzugsgefechte Baden-Badens175.
Betrachtet man die Bildungspolitik der französischen Besatzungsmacht allein unter dem
Blickwinkel des unversöhnlichen und nationalistischen Kurses der Jahre bis 1947, so ist
man versucht, einen besonders nachdrücklich vorgetragenen bildungspolitischen Willen
Frankreichs für das Saarland anzunehmen. Der Grund für diesen Gedanken gründet in
den bereits erwähnten besonderen politischen Absichten, die sich für Frankreich mit
dieser grenznahen und industriell bedeutsamen Region verbanden. Umso überraschter ist
man, wenn man im folgenden Hauptkapitel erfährt, daß ausgerechnet an der Saar die
französische Militärregierung in Bildungsangelegenhelten betont zurückhaltend ope¬
rierte und der einheimischen Politik schon viel früher als Baden-Baden Kompetenzen für
die Neuorganisation und Gestaltung des Lebensbereichs Schule zurückgab. Dieses gro߬
zügige Entgegenkommen, das auch mit Blick auf die Sozialpolitik und die interne Verwal¬
tungshoheit zu registrieren ist, war freilich Bestandteil einer Strategie, die die politische
Lostrennung dieser Region von Deutschland im Auge hatte und gleichzeitig die Wahrung
französischer Interessen im Rahmen einer dann auch später verwirklichten Wirtschafts¬
und Zollunion suchte. Die Militärregierung unter Grandval erkannte dabei schon 1946
in einem breit getragenen separatistischen Willen eine wichtige Voraussetzung für ihre po¬
litische Konzeption und verzichtete, um möglichst große Teile der einheimischen Bevölke¬
rung für sich zu gewinnen, bewußt auf einen rigiden und zum Teil engherzigen schulpoli¬
tischen Kurs der Fremdbestimmung, wie er, getragen vom Ethos einer fortschrittlich ver¬
standenen Kulturmission einerseits und nationalen Sicherheitsspekulationen anderer¬
seits, von Baden-Baden gesteuert wurde. Dieser generös gewährte schulpolitische Frei¬
raum entsprang allein taktischen Spekulationen und bedeutete keineswegs eine differente
Haltung gegenüber der zentralen Militärregierung in Baden-Baden in fundamentalen
Fragen der französischen Deutschlandpolitik, was allein schon die penetrant und unnach¬
giebig vorgetragene Separationsforderung beweist. Diese Prämisse gilt es im Auge zu be¬
halten, wenn im folgenden Hauptkapitel Zentralfragen saarländischer Bildungspolitik
nach 1945 wie etwa Schulaufsicht und Schulverwaltung, Konfessionalität, Entnazifizie¬
rung und Umerziehung der Lehrerschaft, Lehrerbildung, französischer Sprachunterricht
an Volksschulen, Zentralabitur, Bildungsziele und Lehrpläne, Aufbau eines akademi¬
schen Bildungssystems usw. in den Mittelpunkt gerückt werden. Man hat Frankreich frei¬
lich oft unterstellt, daß es zumindest in den Jahren 1945/46 einen solchen Interessenaus¬
gleich mit den Saarländern, wie er soeben skizziert worden ist, nicht erstrebt, sondern zu¬
erst auf eine politische Annexion spekuliert habe. Ob eine solche Absicht tatsächlich be¬
174 BA Trier, Abt. 105, Chronik 1948 (11. Oktober 1948). Nach Aufzeichnungen über diese Ausein¬
andersetzungen.
175 Die Pfalz - das ist das Bistum Speyer - vollzog die Rekonfessionalisierung ihrer Schulen in den
Jahren 1949/50. Der Kampf ist inzwischen vorüber. Bericht des Prälaten W. Böhler, dem Beauf¬
tragten des Vorsitzenden der Fuldaer Bischofskonferenz bei der Bundesregierung, an die Fuldaer
Bischofskonferenz 1953 über Schulfragen, S. 4. BA Speyer, Bestand der Registratur 14/1.
59