Denkens innerhalb des an der Saar politisch dominierenden Katholizismus in ihrem
Wachstum empfindlich zu stören70.
Ihre weitere Entkräftigung erfolgt im Laufe des Zweiten Weltkrieges, als die fanatische
und chauvinistische Politik des Nationalsozialismus mit einer Katastrophe bis dahin nicht
gekannten Ausmaßes endete. Sie sollte gerade dem Saargebiet ein relativ hohes Maß an
persönlichen und materiellen Opfern abverlangen, da dieser Raum schon früh den Bom¬
bardements westlicher Luftstreitkräfte ausgesetzt war und von November 1944 bis März
1945 heftige Kämpfe der Landstreitkräfte erlebte. Entsprechend waren die Verluste an
Schulgebäuden und Unterrichtsinventar. Das saarländische Bildungswesen stand damit
ebenso wie das Bildungswesen in den stark durch Kriegseinwirkungen in Mitleidenschaft
gezogenen Industriegebieten im Westen Deutschlands vor einem schweren Anfang. Bevor
die nun notwendige Darstellung der zu Beginn der Nachkriegszeit vorhandenen Bildungs¬
strukturen an der Saar gegeben wird, sei die wirtschafts- und sozialgeschichtliche Aus¬
gangslage zusammengefaßt und in ihren Wirkungen auf das saarländische Bildungswesen
beleuchtet:
1. Die Industrialisierung war an der Saar im Jahre 1945 verhältnismäßig weit vorange¬
schritten. Grundlage der sozialen und wirtschaftlichen Entwicklung war die Schwerin¬
dustrie. Daneben gab es eine beachtliche keramische Industrie71. Der hohe Bedarf an
Fachkräften hatte seine entsprechenden Rückwirkungen auf die Bildungsbedürfnisse
des Landes.
2. Das wirtschaftliche, soziale und kulturelle Leben an der Saar zeigt ein uneinheitliches
Erscheinungsbild, wobei vor allem der Gegensatz zwischen dem agrarisch struktu¬
rierten und wesentlich geringer besiedelten Norden und dem stark urbanisierten und
industrialisierten Süden ins Auge fällt. Diese Unausgeglichenheit spiegelt sich natür¬
lich auch in der Struktur des öffentlichen Bildungsangebots wider. Die Konzentration
der Arbeitsplätze im Süden hatte zur Lolge, daß sich hier ein dichteres Netz an weiter¬
führenden Schulen im allgemeinbildenden Bereich und die überwiegende Zahl der Be¬
rufs- und Berufsfachschulen befand.
3. In der Landeshauptstadt Saarbrücken, aber auch in den Klein- und Mittelstädten mit
Tradition, wohnten im Jahre 1945 starke gesellschaftliche Mittelschichten. Sie
wurden von einem Bürgertum getragen, das sich in seinen Interessen auf die gewerb¬
liche Wirtschaft, die freien Berufe und die behördliche Verwaltung ausrichtete und
70 Die Einzelheiten des Schulkampfes zwischen der Katholischen Kirche und dem Nationalsozia¬
lismus innerhalb der Diözese Trier, zu der der ehemals preußische, also weitaus größte Teil des
Saargebietes gehörte, sind in den Tagebuchaufzeichnungen des Trierer Generalvikars von Meu-
rers festgehalten. BA Trier, Abt. 105, Chronik des Bistums Trier 1937—1942. Vgl. dort insbeson¬
dere S. 7 ff., S. 45 {., S. 86, S. 94, die Anlage auf den SS. 137,1 bis 137,11 und die Anlage auf den
SS. 210 b bis 210 e.
Der Quellennachweis über die Behinderung des Religionsunterrichts in Berufsschulen findet sich
im BA Speyer, Bestand der Registratur 14/8. Abzüge eines Schriftwechsels zwischen dem Bischof
von Münster Clemens August Graf von Galen und dem Regierungspräsidenten von Münster.
Eine kurzgefaßte Darstellung der Auseinandersetzungen über Einzelheiten des saarländischen
Schulkampfes bei F. Jacoby, Herrschaftsübernahme, S. 197 ff. Zur Kirchenpolitik des natio¬
nalsozialistischen Gauleiters Bürckel allgemein F. Pauly, S. 414 — 453. Weitere Quellen zum
Schulkampf in der Pfalz und im Saarraum finden sich bei H. Prantl. Vgl. dort insbesondere S.
158 ff.
1 Hingewiesen sei in diesem Zusammenhang auf die ehemals im Saarraum recht bedeutsame Glas¬
industrie. Sie ist heute fast verschwunden. Vgl. hierzu W. Lauer.
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