hungsrechte im öffentlichen Schulwesen65, erkannte man sofort den taktischen Charakter
des Vorgehens. Während der Abstimmungsphase hatten die Nationalsozialisten gegen¬
über den Vertretern des politischen Katholizismus „ausdrücklich die Erhaltung der kon¬
fessionellen Schule zugesagt“66. Mit dem Wortbruch des Jahres 1937 wurde der Mehr¬
zahl katholisch orientierter Politiker allmählich bewußt, daß für die Nationalsozialisten
die von nationalen Gefühlen begleitete Rückkehr zum Deutschen Reich kein Hinderungs¬
grund war, von der rücksichtslosen Durchsetzung der eigenen ideologischen Positionen
Abstand zu nehmen, um ihre Machtziele durchsetzen zu können67. Ernüchterung hinter¬
ließ der Schulkampf auch in protestantischen Kreisen. Zwar hielt sich die Evangelische
Kirche weitgehend aus dem Schulstreit heraus, weil sie in dieser Frage im Vergleich zur
Katholischen Kirche schon immer wesentlich weniger nachdrücklich aufgetreten war68,
dennoch verstärkten die Auseinandersetzungen auch bei vielen evangelischen Bürgern die
Aversionen gegenüber dem Nationalsozialismus, die seit den erbitterten Kämpfen zwi¬
schen der Bewegung Deutsche Christen und den Anhängern der Bekennenden Kirche
auch im Saargebiet grundgelegt worden waren69.
Die Verbundenheit mit der deutschen Volksgemeinschaft, die in den Jahren vor der natio¬
nalsozialistischen Herrschaft im Saarland auch in katholischen Kreisen selbstverständlich
gewesen war, erfuhr durch die Begleitumstände des Schulkampfes, der sich im Laufe des
Jahres 1937 auf das gesamte Reichsgebiet ausweitete und bis 1945 spürbar blieb, eine
tiefe Erschütterung. Vor allem die Verletzung religiöser Gefühle durch Angriffe auf das
tägliche Schulgebet und durch die Entfernung von Kruzifixen aus den Klassenzimmern,
die personellen Säuberungsaktionen gegen Oppositionelle in der Schulverwaltung und
Schulaufsicht sowie im Bereich der Schulleitungen, die Behinderung des Religionsunter¬
richts an berufsbildenden Schulen, die Angriffe auf das kirchliche Privatschulwesen, die
Verleumdungen und Beleidigungen kirchlicher Würdenträger durch nationalsozialisti¬
sche Parteigänger, alles dies hat dazu beigetragen, die relativ zarte Pflanze nationalen
65 Seit Bestehen des Zentrums war die Schulpolitik für diese Partei des politischen Katholizismus
ein vorrangiges Thema gewesen, wobei sie sich entschieden gegen den Abbau des Konfessionali-
tätsprinzips im öffentlichen Bildungswesen wandte. G r ü n t h a 1 hat diese Grundsatzhaltung des
Zentrums im Zusammenhang mit den Auseinandersetzungen um das Reichsvolksschulgesetz zur
Zeit der Weimarer Republik nachgewiesen. Diese Wertung trifft auch für das saarländische Zen¬
trum zu, da es aufgrund seiner engen Bindung an die Mutterpartei und in seinem Willen, deutsche
Schultraditionen zu verteidigen, Anteil an den bildungspolitischen Entscheidungen im Reich
nahm. Vgl. G. Grünthal, passim. Näheres zur schulpolitischen Rolle des Katholizismus in der
Vergangenheit in dieser Arbeit auf S. 147 ff.
66 F.Jacoby, Herrschaftsübernahme, S. 197.
67 In diesem Zusammenhang sei die Einrichtung einer Nationalpolitischen Bildungsanstalt in St.
Wendel (Pfalzburg) für den NS-Gau Saarpfalz bzw. Westmark angemerkt.
68 Vgl. G. Niemeier, S. 65.
69 Vgl. im einzelnen F. Jacoby, Kirche, S. 279 ff.
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