willen der Bevölkerung an der Saar gegen eine machtpolitisch vorgetragene Romanisie-
rungspolitik deutlich werden46.
Der Widerstand ergab sich aus der Zugehörigkeit der Bevölkerung des Saargebiets zum
deutschen Volkstum, die durch eine klare Abgrenzung zum romanischen Sprachraum hin
unterstützt wurde und nicht, wie etwa in Lothringen oder dem Gebiet um Malmedy
(heute Ostbelgien), durch ein Netz von Sprachinseln und zweisprachigen Gebieten bela¬
stet war47. Intensiviert wurde das Gefühl der Verbundenheit mit der deutschen Nation
und Kultur durch die Abtretung Elsaß-Lothringens an Frankreich; die französische
Staatsgrenze rückte nun wieder unmittelbar an das Saargebiet heran. Die direkte Nach¬
barschaft führte dazu, daß an der Saar die Rivalität zwischen Deutschland und Frankreich
besonders spürbar wurde, zumal Frankreich durch seine Versuche, die im Saarstatut zum
Friedensvertrag von Versailles verbrieften Wirtschaftsrechte für eine informelle Vorherr¬
schaft in Politik und Kultur auszunutzen, hier für eine weitere Verschärfung sorgte. Die
Bevölkerung an der Saar reagierte auf diese Herausforderung nicht nur mit einem demon¬
strativen Bekenntnis zur deutschen Nation, sondern auch mit einem gesteigerten Patrio¬
tismus, ein Prozeß, der durchaus gewisse Parallelen zur nationalen Geschichte Frank¬
reichs des 19. Jahrhunderts hat, als Regionen wie z. B. Lothringen oder Savoyen ihr land¬
schaftliches Selbstbewußtsein und ihre Eigenarten zugunsten einer Zugehörigkeit zur
französischen Volksgemeinschaft als einer Einheit von Menschen gleicher Sprache und
Kultur aufgaben. Die Schulen im Saargebiet haben in der Zeit des Völkerbundregimes
durch ihre betonte Treue zur deutschen Kultur das Nationalbewußtsein gestärkt, sie ver¬
körperten in repräsentativer Weise die Empfindsamkeit der Bevölkerung gegenüber mög¬
lichen Gefahren einer romanischen Überfremdung48.
Gleichwohl wäre das historische Urteil verkürzt, wenn man das politische und kulturelle
Leben an der Saar in der Zeit von 1920 bis 1935 nur im Sinne nationalstaatlicher Entwick¬
lungslinien betrachten würde; denn es ließe den Tatbestand der „Geburt“ des Saarländers
außer acht. Auszugehen ist hier vom Friedensvertrag von Versailles, der das Land an der
Saar als „Saargebiet“ erstmals territorialpolitisch bestimmte. Geschaffen war damit eine
Grundlage für das Entstehen und Wachsen eines Zusammengehörigkeitsgefühls, das in
dem Empfinden einer Schicksalsgemeinschaft seinen Ausdruck fand und verbal bis zum
heutigen Tage in dem oft zu hörenden „Wir Saarländer“ oder dem „Drüben im Reich“
nachwirkt.
Im Rahmen dieses politschen Lebensraumes, der durch Fremdbestimmung geschaffen
wurde, erhielt nun die bis dahin nur im Süden bedingt als Zentrum anerkannte Stadt Saar¬
46 Zu den Auseinandersetzungen über die Domanialschulen aus zeitgenössischer saarl. Sicht: G.
Fittbogen; siehe auch Denkschrift der III. Lehrerkammer (Im Quellen- und Literaturver¬
zeichnis unter F). Ihr ist im Anhang eine umfangreiche Dokumentation angefügt; vgl. darüber
hinaus Notenwechsel (Beschwerdenoten der Reichsregierung an den Völkerbund (Im Quellen-
und Literaturverzeichnis unter B, II, 1.); P. A. Vogt (jur. Diss. der Universität Köln über die
schulrechtliche Situation). P. Zenner, Schule, S. 45 ff. Versuch einer ersten Zusammenfassung
mit einer statistischen Übersicht und einer Quellensammlung durch A. Floyer (Hrsg.). Eine
Wertung aus der Zeit nach dem Zweiten Weltkrieg findet sich bei F. Bungarten, S. 33. Kurz¬
darstellung bei M. Zenner, Parteien, S. 102 ff. Vgl. auch H.-W. Herrmann und G. W.
Sante, Saarland, S. 36 und P. Fischer, S. 29.
47 Siehe dazu W. Will, Sprachgeschichte u. W. Will, Junger Staat.
48 Vgl. M. Zenner, Parteien, S. 113.
32