Full text: Bildungspolitik im Saarland (14)

und kulturpolitischen Aufwärtsentwicklung in dieser Region ihre Chance34. Die Ferne der 
zentralen preußischen und bayerischen Regierungs- und Verwaltungsstellen und ihre per¬ 
sonalpolitischen Strategien, die Sozialschranken zwischen katholischer Arbeiterschaft 
bzw. Landbevölkerung und evangelischem Stadtbürgertum, aber auch die reservierte 
Haltung des katholischen Bevölkerungsteils in Bildungsfragen überhaupt, haben in der 
Zeit der Zugehörigkeit der Saarkreise zu Preußen und Bayern einen breiten Aufstieg ein¬ 
heimischer Bevölkerungskreise in Führungspositionen von Staat und Wirtschaft verhin¬ 
dert. Die Folge dieser Entwicklung war: das Kultur- und Bildungswesen in dieser Region 
blieb weit hinter dem relativ hohen Standard seiner ökonomischen Leistungsfähigkeit zu¬ 
rück. Diese Rückständigkeit in einem wesentlichen Bereich des sozialen Lebens, die sich 
kulturell in einem provinziellen Standard des Theater-, Musik- und Kunstwesens und bil¬ 
dungsgeschichtlich insbesondere in fehlenden Einrichtungen des Fach- und Hochschul¬ 
wesens bemerkbar gemacht hat, konnte das Saarland bis in die Zeit nach dem Zweiten 
Weltkrieg nicht revidieren. So war die im Jahre 1949 von dem CVP-Abgeordneten Emil 
Weiten im Zusammenhang mit der Verabschiedung des saarländisch-französischen Kul¬ 
turabkommens geäußerte Klage, das Saarland sei bisher kulturell nicht überfüttert35 
worden, zwar nicht frei von Polemik, aber im Kern durchaus berechtigt. 
3.2 Kultureller Aufwind nach dem Ersten Weltkrieg 
Das Bild vom „saarländischen Kulturschatten“, das für den Zeitraum bis 1945 immer 
wieder beklagt wurde, bedarf allerdings insofern der Korrektur, als es den von Zenner36 
und Jacoby37 konstatierten allgemeinen Aufschwung des Bildungs- und Kulturlebens in 
der Zeit des Völkerbundregimes von 1920bis 1935 unerwähnt läßt. Ein bemerkenswerter 
Wille zur pädagogischen Reform, der sowohl von der Regierungskommission des Völker¬ 
bundes als auch von den Parteien und Verbänden an der Saar unterstützt wurde, hat da¬ 
mals in enger Verbindung zur deutschen Bildungswelt das gesamte öffentliche Erzie¬ 
hungswesen im Bereich der neu durch den Versailler Vertrag geschaffenen Verwaltungs¬ 
einheit Saargebiet, die die gesamten ehemals preußischen Landkreise Ottweiler, Saar¬ 
brücken-Land und Saarlouis sowie die kreisfreie Stadt Saarbrücken, das ganze ehemals 
bayerische Bezirksamt St. Ingbert, Teile der früheren preußischen Landkreise Merzig und 
St. Wendel und Teile der einstigen bayerischen Bezirksämter Homburg und Zwei¬ 
brücken38 umfaßte39, äußerst günstig beeinflußt. Qualifiziertere Lehreraus- und -fortbil- 
34 Vgl. dazu den kulturpolitischen Rückblick von J. A. Schmoll gen. Eisenwerth in der Frank¬ 
furter Allgemeinen Zeitung vom 6. 12. 1955. 
35 Landtag des Saarlandes. Stenographische Berichte, 1. Wahlperiode, 46. Sitzung vom 12.1.1949, 
S. 6. Vgl. hierzu auch J. Hoff mann, Ziel, S. 111 und S. 118. 
36 M. Zenner, Parteien, S. 100 ff. 
37 F. Jacoby, Herrschaftsübernahme , S. 41 ff. 
38 Homburg wurde dem Saargebiet zugeschlagen, Zweibrücken blieb beim Deutschen Reich. 
39 Die hier angesprochenen kommunalen Einheiten gingen später in die Kreiseinteilung über, wie 
sie bereits oben auf S. 24 ff Erwähnung fand. Sie blieb bis zur großen saarländischen kommu¬ 
nalen Gebiets- und Verwaltungsreform, die am 1.1.1974 in Kraft trat, bestehen und erfuhr auch 
durch die Angliederung von Orten des Restkreises Wadern und von Orten der Kreise Saarburg, 
Trier-Land, Birkenfeld und Kusel in den Jahren 1946/47 keine Änderung. Die Gliederung der 15 
Aufsichtsbezirke für die Volksschule, wie sie im einzelnen auf S. 77 in der Anm. 64 aufgezählt 
sind, hielt sich im Rahmen der hier angegebenen Kreiseinteilung. 
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