Full text: Bildungspolitik im Saarland (14)

bürg Anfang der fünfziger Jahre fast eine Parität zwischen den beiden großen Konfes¬ 
sionen. Starke protestantische Minderheiten wies die Statistik auch für Saarbrücken Stadt 
mit 42,1 %,Ottweiler mit 32,5 % und Saarbrücken-Land mit 32,3 % auf. In allen übrigen 
Kreisen (St. Wendel 20,4 %, St. Ingbert 16,0 %, Saarlouis 5,0 %, Merzig-Wadern 3,4 % 
Protestanten) stellten die Katholiken eine sehr starke Mehrheit22. Auf das Wechselver¬ 
hältnis von Bildung und konfessioneller Zugehörigkeit an der Saar wird an anderer Stelle 
noch einzugehen sein23. 
Eine Eigenart des Saarlandes ist seine lebendige Vielfalt. Diese Wirklichkeit erforderte 
eine lokal abgestufte Untersuchung des Wirtschaftslebens, der Bevölkerungs- und Sozial¬ 
struktur und auch der Religionszugehörigkeit. Das vielfältige Erscheinungsbild der wirt¬ 
schaftlichen, sozialen und kulturellen Verhältnisse ist an der Saar auch noch in den fünf¬ 
ziger Jahren stark spürbar. Sie zeigt sich auch und vor allem in der quer durch das Saarland 
laufenden Grenzlinie zwischen rheinfränkisch und moselfränkisch, womit nicht nur zwei 
Mundarten voneinander geschieden werden, sondern auch zwei Mentalitätswelten. 
Damit ist die Frage nach dem Einfluß der Tradition aufgeworfen. Ihre Erörterung soll im 
Rahmen dieses Themas freilich auf die Entwicklung der saarländischen Bildungs- und 
Kulturgeschichte konzentriert bleiben. Mit dem Eindringen in die saarländische Vergan¬ 
genheit treten die bisherigen statischen Beschreibungen in den Hintergrund, ihr Wert lag 
vor allem darin, den wirtschaftlichen und sozialen Rahmen faßbar zu machen, der für das 
bildungspolitische Geschehen an der Saar gegeben war. 
3. Die Entwicklung eines eigenständigen politischen Selbstbewußtseins 
im Saargebiet 
3.1 Die Saar bis zum Ersten Weltkrieg. Ein Land ohne gemeinsames Schicksal als Region 
Der Versuch, den Charakter des heutigen Saarlandes mit Hilfe seiner wirtschaftlichen, po¬ 
litischen, sozialen und kulturellen Strukturen zu bestimmen, führt rasch zu der Er¬ 
kenntnis, daß dieser Region ein historisch gewachsenes territorialpolitisch orientiertes 
Bewußtsein fehlt. Eine „saarländische“ Geschichte im eigentlichen Sinne gibt es erst seit 
dem Ende des Ersten Weltkrieges. Im 19. Jahrhundert hatte der größere Teil des heutigen 
Saarlandes Anteil an der gesamtgeschichtlichen Entwicklung Preußens, seine östlichen 
Gebiete gehörten zu Bayern. Wenn sich in dieser Zeit auch eine Identifikation der Bevöl¬ 
kerung an der Saar mit dem preußischen bzw. bayerischen Staat und dem Schicksal 
Deutschlands als nationaler Bundesstaat anbahnte, so blieb sie dennoch dem kurtrieri- 
schen, lothringischen, pfälzischen und nassauischen24 Erbe stark verbunden, das die Ver¬ 
gangenheit aufgrund des hier vor der Französischen Revolution anzutreffenden Herr¬ 
schaftsmosaiks hinterlassen hatte. Die Kontinuität eines stark von lokalen Erfahrungen 
geprägten Bewußtseins ist sogar bis zum heutigen Tag lebendig geblieben, eine Tatsache, 
22 Statistisches Handbuch (Saarland 1955), S. 26. Über die Entwicklung der Konfessionsverhält¬ 
nisse an der Saar vom Zeitpunkt der Einführung der Reformation in der Grafschaft Nassau-Saar¬ 
brücken im Jahre 1575 bis zur Gegenwart D. Bettinger. 
23 Siehe unten S. 39. 
24 Bezieht sich auf die Grafschaft Nassau-Saarbrücken. 
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