hier berücksichtigen muß, daß Reinert mit Blick auf die Vergangenheit mit seinem Ver¬
langen nach einem gleichberechtigten Kulturaustausch politisch argumentierte und Faure
eher juristisch antwortete, wobei er allerdings in einem Atemzug den Wunsch seines
Landes unterstrich, daß die allgemeinen kulturellen Beziehungen zwischen Frankreich
und der Saar doch wohl anders und intensiver sein sollten, als zwischen Frankreich und
den übrigen deutschen Bundesländern7, so wurde doch hier schon deutlich, daß an einer
Fortsetzung der engen und umfassenden kulturpolitischen Kooperation wie in den Tagen
Hoffmanns nicht mehr zu denken war. Wahrscheinlich wurde sie von einer starken Mehr¬
heit der saarländischen Bevölkerung und ihrer Regierung auch nicht gewünscht, aber
auch diese gewollte Distanz konnte die Tatsache nicht verwischen, daß das Saarland künf¬
tighin auf die an sich vorteilhaften Zusagen aus dem Kulturabkommen des Jahres 1948,
die insbesondere mit Blick auf die Hochschulfinanzierung ins Auge fallen, verzichten
mußte. Konsequenzen waren schließlich auch aus der kulturpolitischen Teilhabe des
Saarlandes an der Entwicklung in der Bundesrepublik Deutschland zu ziehen.
Hier hatten die Länder nach 1945 ihre Souveränität in Kulturangelegenheiten noch
stärker als in der Weimarer Zeit gegenüber der Zentrafgewalt verfassungsrechtlich absi¬
chern können. Damit hatten sich ihre Möglichkeiten, den Lebensbereich Bildung jeweils
entsprechend den gewachsenen historischen, sozialen und weltanschaulichen Strukturen
zu gestalten, noch verbessert. Gleichzeitig verstärkte sich aber auch die schon im späten
19. Jahrhundert in Deutschland einsetzende Erkenntnis, daß eine moderne Industriege¬
sellschaft ohne ein gewisses Maß an Einheitlichkeit seiner politischen und sozialen Welt
kaum vorteilhaft zu organisieren ist. Sie hatte inzwischen so an Kraft gewonnen, daß kein
ernstzunehmender Bildungspolitiker sich dem Gebot versagen konnte, in der schulischen
Gesetzgebung und Verwaltung aufeinander Rücksicht zu nehmen. In den Westzonen
Deutschlands hatten die Kultusminister darum schon im Jahre 1948 nach dem Vorbild
des Reichsschulausschusses bzw. des Ausschusses für das Unterrichtswesen in der Wei¬
marer Zeit eine freiwillige Arbeitsgemeinschaft begründet, die als „Ständige Konferenz“
eine bundesstaatliche Verantwortung in der Kulturpolitik erreichen sollte8. Auf schuli¬
schem Sektor fand dieser Koordinationswille einen vorläufigen Abschluß in dem
Staatsabkommen zwischen den Ländern zur Vereinheitlichung auf dem Gebiet des Schul¬
wesens, dem sogenannten Düsseldorfer Abkommen vom 17. Februar 1955, auf das
später noch näher einzugehen sein wird. Wenn dieses Vertragswerk auch das
Prinzip historisch gewachsener Eigenentwicklungen im bundesdeutschen Bildungswesen
ausdrücklich anerkannte, so war seine Relevanz dennoch stark genug, um den schulpoli¬
tischen Gestaltungswillen der Länder im Interesse gemeinsamer Zielsetzungen zu beein¬
flussen. Das Bildungswesen an der Saar war aber, auch wenn es in seiner deutsch ge¬
prägten Struktur und in seinem deutschen Charakter erhalten geblieben war, von diesem
Aufeinanderzugehen bis 1955 abgekoppelt gewesen. Zudem hatte es Sonderformen und
Abweichungen erfahren, so daß das Saarland sich von dem Generalanliegen der Kultus¬
ministerkonferenz, Angelegenheiten der Kulturpolitik von überregionaler Bedeutung mit
dem Ziel gemeinsamer Willensbildung und der Vertretung gemeinsamer Anliegen anzu¬
7 Niederschrift (siehe Anm. 6 auf S. 259), S. 11.
8 Vgl. dazu Konferenz (1963/64), S. 254.
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