Verlag auf Geheiß der Regierung 400 000 Europahefte für die schulische Erziehungsar¬
beit aufgelegt hätte, daß aber der Absatz sehr schlecht und das Interesse an diesen Heften
sehr gering sei74.
Die Front gegen ein Europa, das in den Augen der Lehrer möglicherweise nur auf Kosten
eines stabilen Deutschtums an der Saar zu haben war, organisierte sich auf zwei Ebenen.
Die eine bildete sich aus grundsätzlichen Erwägungen gegen eine Politik der Trennung
von Deutschland zugunsten einer eigenen europäisch disponierten Staatlichkeit sowie
einer von Frankreich konkret geforderten Wirtschaftsunion, weil sie darin die Gefahr
einer dauernden und nicht mehr reparablen Abkopplung vom kulturgeschichtlichen
Schicksal Deutschlands befürchtete, die andere erwuchs aus den Ärgernissen über die Bil¬
dungspolitik im allgemeinen und aus den Verbitterungen über die berufspolitischen Zu¬
rückstellungen der Lehrer im besonderen75. Im Jahre 1955 war die Entscheidung der
Lehrer gegen einen Saarstaat im Zeichen Europas endgültig gefallen. Wenn die eigentliche
Schulpolitik im allgemeinen Abstimmungskampf zum 23. Oktober 1955 auch nur ein
Randthema war, weil er im Bewußtsein der Saarländer vorrangig als Entscheidung für
oder gegen Deutschland bzw. für oder gegen das Hoffmann-Regime geführt wurde, so
kann man dennoch auch ohne Rückgriff auf statistische Wahlwerte sagen, daß eine relativ
hohe Zahl der saarländischen Lehrer im Interesse eines eindeutig deutschen Charakters
ihrer saarländischen Schule und wegen der berufspolitischen Enttäuschungen durch das
Hoffmann-Regime gegen das Saarstatut votiert haben wird. Dafür spricht nicht zuletzt
der zeitige Austritt namhafter Schulmänner wie Peter Zenner und Wilhelm Hard aus der
CVP und ihr Beitritt zu den sogenannten Heimatbundparteien in der Endphase des Ab¬
stimmungskampfes76.
4. Die saarländische Bildungswelt aus deutscher Sicht
und in der Strategie deutscher Politik
„Die Tragik der Hoffmann-Regierung lag“, so der Rundfunkjournalist Werner Kern im
Jahre 1975, „unter anderem darin, daß er und seine Mannschaft bis zu den Pariser Ver¬
trägen von 1953 immer wieder heftige Versuche unternahmen, dem Saarland auch eine
von Frankreich unabhängige staatliche Souveränität zu sichern — wirtschaftlichen An¬
schluß allerdings mit einbegriffen. Als sich seit 1950 die Bundesrepublik in die Saarfrage
einschaltete, wurden die Hoffmann-Bemühungen um ein souveränes Saarland im diplo¬
matischen Interessenausgleich zwischen Paris und Bonn mitleidlos zerrieben77“.
Die von Kern konstatierte Paralysierung der saarländischen Politik durch die wachsende
und im Zuge der westeuropäischen Integration auch als notwendig erkannte deutsch¬
französische Annäherung ist zweifellos richtig; man muß jedoch hinzufügen, daß der po¬
74 Protokoll der Schulrätekonferenz vom 3.10.1953. LA Saarbrücken, Bestand Kreisschulamt Ott-
weiler Nr. 2.
75 Daß Schulfragen im Abstimmungskampf höchst selten direkt angesprochen wurden, bestätigt
auch die Untersuchung von A. H. V. Kr aus über die Erörterung der Saarfrage in der Publizistik
der Jahre 1954/55. Vgl. dort insbesondere S. 313-400.
76 Interview W. Braun vom 4. 3. 1976. Über den Wechsel von Politikern, Honoratioren und hohen
Beamten von den „Ja“ - Parteien zu den „Nein“ - Parteien vgl. im einzelnen R. H. Schmidt,
Bd. 3, S. 362 ff.
77 W. Kern,S. 12.
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