gleichen Sinne ..., weil es, wie mir scheinen will, für eine auf dem Boden des alten Beam¬
tentums stehende Organisation gar keinen anderen Weg geben kannis, so tritt hier eine
in der saarländischen Bildungswelt der Jahre 1951 bis 1955 weitverbreitete Haltung zu¬
tage, die dadurch gekennzeichnet war, daß man zwar einerseits eine offene Rebellion
gegen die machtpolitisch gezogene Trennlinie zwischen Kultur- und Staatsnation ver¬
mied, andererseits aber im Herzen die Identität mit dem angestammten Deutschtum zu
wahren wußte. Spürbar wurde hier das wachsende Dilemma einer vom Mutterland un¬
freiwillig getrennten Region, deren Lehrerschaft aus Überzeugung im Takt mit der schu¬
lischen Entwicklung in Deutschland bleiben will, dabei aber in ihren Erwägungen und
Sehnsüchten immer wieder durch die harte Realität einer politischen Separierung einge¬
holt wird, die den Zwiespalt zwischen fremdherrschaftlichem Protektorat und echter Au¬
tonomie niemals hat überwinden können. Diese Zwangslage blieb einem versierten Poli¬
tiker wie Hoffmann natürlich nicht verborgen. Auf dem zweiten Saarländischen Berufs¬
schultag am 14. November 1952, also kurz vor den Landtagswahlen, suchte er darum in
einer längeren Rede dem komplizierten Verhältnis von staatlicher Eigenentwicklung und
kulturellem Zusammengehörigkeitsgefühl einen tieferen Sinn zu geben. Unter ausdrück¬
licher Bezugnahme auf die Verfassung erklärte er die deutsche Kultur an der Saar für un¬
antastbar und forderte dann:
Wir haben dieses uns zugehörige deutsche Kulturgut nicht nur zu erhalten, wir wollen es
nicht nur pflegen, wir müssen es fördern, vertiefen und weiterentwickeln, soweit wir dazu
in der Lage sind. In diesem Sinne sind wir deutsche Menschen, auch wenn wir nicht dem¬
selben Staatsraum angehören, der noch nie identisch war mit dem Kulturraum. Wir
werden in einer größeren Gemeinschaft, der europäischen, ohne die jetzt noch durch das
Festhalten am Begriff der Nationalstaaten notwendigen Grenzen wieder zu den deut¬
schen Menschen dieser europäischen Gemeinschaft gehören15 16.
Den europäischen Gedanken verband Hoffmann dann noch mit der Aufforderung zur
Völkerversöhnung, wobei er für das Saarland die Verständigung mit dem französischen
Nachbarn als eine besondere Aufgabe hinstellte17. Es kann kein Zweifel darüber be¬
stehen, daß eine Mehrheit der saarländischen Lehrer im Jahre 1952 für die europäische
Sache durchaus offen war. Das war schließlich auch in der Bundesrepublik so. Teile der
Lehrerschaft akzeptierten sogar die von Hoffmann im Interesse dieses Ziels für erforder¬
lich gehaltene Bedingung einer separaten saarländischen Staatlichkeit, da in ihren Augen
durch sie die Möglichkeit der Identifikation mit der deutschen Kultur nicht versperrt
wurde. Insbesondere in Reihen der katholischen Erzieherschaft konnte Hoffmann auf
Verständnis und Rückhalt hoffen. So erklärte der Vorsitzende des Verbandes katholi¬
scher Erzieher, Zenner, ansonsten kritisch gegenüber Hoffmann eingestellt und stets für
die Koppelung der saarländischen mit der deutschen Bildungswelt eintretend, auf der Ge¬
neralversammlung seiner Organisation am 18. 11. 1953 in einem Grundsatzreferat:
15 Durchschlag des Schreibens von Meister an Schäfer vom 9. 1. 1952. LA Saarbrücken, Bestand
Staatliches Aufbaugymnasium Ottweiler Nr. 5. Vgl. dort auch seine Schreiben vom 6. 11. 1952
und 9. 12. 1952.
16 Zitiert nach dem Manuskript der Rede, S. 2. Privatakten Jakob Feiler. Hoffmann argumentierte
hier übrigens ähnlich wie Straus schon im Jahre 1949. Der Gegensatz zwischen beiden Politikern
entzündete sich dann aber an der Frage nach dem Grad der Zusammenarbeit mit Frankreich. Vgl.
hierzu oben, S. 123 f., S. 179 ff und S. 205.
17 Ebenda, S. 2 f.
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