Full text: Bildungspolitik im Saarland

ökonomischen und grundsätzlich rechtlichen Bedenken völlig diesem Anliegen82. Das to¬ 
tale Äquivalenzenghetto der Staatsprüfungen gegenüber Frankreich und das bedingte ge¬ 
genüber Deutschland, das unter umgekehrten Vorzeichen zudem noch durch die saarlän¬ 
dischen Ausgleichsexamina im juristischen Bereich einen zusätzlichen Akzent erhielt83, 
konnte — und wenn die Dezemberrede Grohs des Jahres 1950 als Beleg angeführt wird84, 
so kann sogar gesagt werden - wollte die saarländische Bildungspolitik bis zum Jahre 
1955 nicht überwinden85. Sie wäre aber eine wesentliche Voraussetzung für einen interna¬ 
tionalen Charakter der Saaruniversität gewesen. Wir hatten zwar, so Woelfflin zu diesem 
Problem, im Kulturabkommen vereinbart, beiderseits Leistungsnachweise grundsätzlich 
zu akzeptieren86 87, aber es kam nur in den Bereichen der Medizin, Geologie, Zoologie, Bo¬ 
tanik, Jura und Philologie zur gegenseitigen Anerkennung von Certifikationen für die 
beiden ersten Studienjahre. Im Bereich der akademischen Prüfungen sind wir etwas gro߬ 
zügiger verfahren, aber das liegt ja in der Natur der Sache97. 
Noch deutlicher als die Äquivalenzenfrage zeigte die Diskussion um die Notwendigkeit 
einer Technischen Fakultät, die in den Jahren 1953 und 1954 besonders intensiv geführt 
wurde, daß die Universität von der saarländischen Bildungspolitik fast gänzlich als An¬ 
stalt für den akademischen Bedarf an der Saar aufgefaßt worden ist. Kern der Meinungs¬ 
bildung war und blieb nämlich allein die Zahl der von der saarländischen Industrie benö¬ 
tigten Ingenieure, der Kostenfaktor für den saarländischen Haushalt und schließlich die 
Sorge, ob man gegenüber Nancy und Aachen konkurrenzfähig werden könne88. Da man 
diese Risiken für die saarländische Politik scheute und der Ingenieur ja eigentlich kein Po¬ 
litiker ist89, entschied man sich im Falle des Technikerstudiums für das „Luxemburger 
Modell“, d. h., man beließ es bei der Praxis, daß der Nachwuchs an Diplomingenieuren 
82 Interview P. Woelfflin vom 27.11.1976. Vgl. hierzu auch das Schreiben Grandvals an Hoffmann 
vom 19. 9.1949, in dem er seine Sorge über eine unzureichende Regelung der Äquivalenzenfrage 
zum Ausdruck brachte. LA Saarbrücken, Bestand der Staatskanzlei, Akten des Ministerpräsi¬ 
denten Nr. 725. In Frankreich durfte z. B. das sogenannte diplôme d’état im medizinischen Be¬ 
reich, das in etwa der Approbation in Deutschland entspricht, nur von Ärzteanwärtern mit fran¬ 
zösischer Staatsbürgerschaft erworben werden. Protokoll über die Besprechung am 22. 3.1950 
in der AGA (= die profranzösisch orientierte Allgemeine Studentengemeinschaft für internatio¬ 
nalen Austausch) in Saarbrücken. LA Saarbrücken, Bestand KM, Abt. Hochschulen, UIS Medi¬ 
zinische Fakultät. Die saarländische Regierung erkannte ihrerseits das von saarländischen Stu¬ 
denten in Frankreich erworbene Doctorat en Médicine nur dann als gültige Voraussetzung für 
die Approbation an, wenn der Kandidat vor einem Ausschuß der Ärztekammer nachgewiesen 
hatte, daß er mit speziellen für das Saarland wichtigen Bestimmungen vertraut ist. Entwurf einer 
Prüfungs- und Approbationsordnung für Ärzte im Saarland vom 24. 5. 1950. LA Saarbrücken, 
Bestand KM, Abt. Hochschulen, UIS Medizinische Fakultät. 
83 Saarländische Nachwuchsjuristen, die als Referendare in die 2. Ausbildungsphase eintreten 
wollten, mußten an der Juristischen Fakultät ein zweisemestriges Studium über die Besonder¬ 
heiten des saarländischen Rechts absolvieren und in einem sogenannten Ausgleichsexamen ihre 
Befähigung nachweisen. Hingewiesen sei in diesem Zusammenhang auf das im Quellenanhang 
(Anlage 6) wiedergegebene Antwortschreiben von Justizminister Braun an Grandval vom 1. 8. 
1949. Es gibt Auskünfte über Inhalte und Absichten des jur. Ausgleichsexamens. 
84 Siehe oben, S. 209. 
85 Interview P. Woelfflin vom 27. 11. 1976. 
86 Artikel 13 des Kulturabkommens vom 15. 12. 1948. Vgl. auch oben, S. 169. 
87 Interview P. Woelfflin vom 27. 11. 1976. 
88 Vgl. dazu das Interview von Angelloz mit der Saärländischen Volkszeitung vom 15. 10. 1954. 
89 Interview E. Straus vom 25. 11. 1976. 
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