Full text: Bildungspolitik im Saarland

zwischen zum Senatspräsidenten am Oberlandesgericht Saarbrücken aufgestiegenen Jo¬ 
hann Leo Zarth, erhielt. Dort äußerte sich dieser auch zum Thema Universität. Nach be¬ 
sorgten Anmerkungen über manche zur Gewohnheit werdenden Gebräuche der deut¬ 
schen Universitäten kommt Zarth schließlich in deutlicher Blickwendung auf die Existenz 
des Saarlandes als Staat und ohne den Namen Europa überhaupt zu erwähnen zu der War¬ 
nung: Wenn die maßgeblichen Personen hier nicht hellwach sind, dann werden sie bald 
in der Universität einen ausgezeichneten und wirkungsvollen Vorposten für die Interessen 
sehen, die sich nicht mit den saarländischen Interessen decken75. Natürlich wird man eine 
Institution wie die einer Universität niemals in einer unpolitischen Sphäre sehen können 
und dürfen, aber das, was ein hochgestellter Richter hier anmahnte, war im Grunde nichts 
anderes als die Forderung nach einer umfassenden politischen Kontrolle der jungen Hoch¬ 
schule im Interesse einer umstrittenen staatlichen Existenz. Wenn die Universität in ihrem 
Dasein auch nicht überall mit solchen Argusaugen gesehen worden ist, so drängt sich an 
dieser Stelle dennoch die Frage auf, ob für die Saaruniversität angesichts der Zwänge, die 
für die saarländische Politik von innen und außen spürbar wurden, überhaupt eine 
Chance bestand, über ihre Aufgabenstellung als Hochschule für das Saarland und als gei¬ 
stiges Zentrum für die saarländisch-französische Zusammenarbeit hinaus eine Univer¬ 
sität europäischen Zuschnitts zu werden. 
Schon die Wirklichkeit des Europäischen Instituts zeigte, daß der junge europäische Ge¬ 
danke der Nachkriegszeit noch viel zu unstet, zu wenig greifbar und zu sehr mit eigensüch¬ 
tigen Interessen verknüpft wurde, um sich in der Praxis konkret durchzusetzen. Aber 
nicht nur der Mangel an selbstlosem Denken für Europa hat die Möglichkeiten einer wer¬ 
denden Europahochschule an der Saar be- bzw. verhindert, es waren auch die unmittel¬ 
baren Wachstumsbedingungen selbst, die einen solchen Weg verstellt haben. 
Dabei ist hier weniger an umstrittene Einzelfragen der Studien- und Prüfungspraxis ge¬ 
dacht wie etwa das französische Prinzip des Studienjahres, die Ausrichtung der Studien- 
und Prüfungsordnung nach dem französischen System der Jahresprüfungen, die Sonder¬ 
heit der propädeutischen Prüfungen nach dem ersten Studienjahr, das Experiment der 
deutsch-französischen Zweisprachigkeit und ihre Problematik als gleichberechtigte Lehr- 
und Prüfungssprachen76, die vor allem in der Naturwissenschaftlichen Fakultät wegen 
fehlender internationaler Fachtermini und mangelnder Sprachkenntnisse einiger Profes¬ 
soren zu großen Schwierigkeiten führte, oder an die sehr problematische Doppelgleisig- 
keit des französischen und deutschen Rechts in Forschung und Lehre der Juristischen Fa¬ 
kultät oder gar an Wechselkurs-, Paß- und Zollhindernisse77, sondern vielmehr an den 
5 Zarth an Straus vom 17. 2. 1954. Privatakten E. Straus. 
76 Vgl. dazu den Bericht der am 19. 7. 1954 vom Verwaltungsrat berufenen Kommission zur Prü¬ 
fung der Zweisprachigkeit. Anlage zum Protokoll über die Verwaltungsratssitzung vom 14. 3. 
1955. In ihm wurde auch der Begriff „Zweisprachigkeit“ definiert. Er bedeutete nicht, wie das 
in der Literatur immer vermerkt worden ist, zwei absolut gleichberechtigte Sprachen, sondern er 
respektierte eindeutig den Vorrang der deutschen Muttersprache gegenüber dem Französischen. 
Beide Sprachen waren lediglich offiziell und generell zugelassen. LA Saarbrücken, Bestand KM, 
Abt. Hochschulen, UIS Universitätsrat und Verwaltungsrat 1954 - 1955. 
Vgl. dazu das Beschwerdeschreiben von Straus an Grandval vom 11. 5.1949, indem ersieh über 
die monatelange Zollabfertigung wissenschaftlicher Bücher für die Universität beschwert. Solche 
Vorkommnisse haben sich später in dieser Stärke nicht wiederholt, aber dennoch machte der 
französische Zoll in ähnlich gelagerten Fällen immer wieder Schwierigkeiten. LA Saarbrücken, 
Bestand KM, Abt. Hochschulen, UIS Medizinische Fakultät. 
225
	        
Waiting...

Note to user

Dear user,

In response to current developments in the web technology used by the Goobi viewer, the software no longer supports your browser.

Please use one of the following browsers to display this page correctly.

Thank you.