wie Schulverwaltung, Schulaufsicht, Lehrpläne, Lehrerbildung, bildungspolitische
Grundsatzbestimmungen der Verfassung, saarländisch-französisches Kulturabkommen,
französischer Sprachunterricht, französische Schulen, Zentralabitur, Schulstrukturen,
Planung und Aufbau akademischer Bildungseinrichtungen, Besoldungspolitik, Bildungs¬
etat usw. in ihrer gegenseitigen Verflechtung zu analysieren. Im Mittelpunkt bleibt dabei
stets die Frage, inwieweit die übernommenen und die neu geschaffenen Bildungseinrich¬
tungen für eine Politik instrumentalisiert wurden, die vom Beginn der fünfziger Jahre an
in und außerhalb des Saarlandes zu erbitterten Auseinandersetzungen geführt hat. Anzu¬
sprechen ist also auch, allerdings eher mittelbar, der Saarkonflikt in seiner internationalen
und lokalen Dimension. Aufgrund der Dichte der Ereignisse, die in ihren Hintergründen
und Spannungen hier nur stichwortartig mit Begriffspaaren wie Emigration und Krieg,
Fremdbestimmung und regionalistischer Selbstbehauptungswille, Heimatliebe und vater¬
ländische Bindung, Separation und Nationalstaat, christlich geprägte Grundordnung und
Offenheit im Sinne von Wertvielfalt, Patriotismus und Europabegeisterung, angedeutet
werden sollen, muß ein weiter Bogen geschlagen werden, um dem Thema gerecht zu
werden. Die notwendige Konzentration auf zentrale Sektoren des saarländischen Bil¬
dungswesens einerseits und die Einbindung des Themas in den Gesamtzusammenhang
saarländischer Geschichte andererseits bedingen zwar, daß auf eine detaillierte Darstel¬
lung saarländischer Bildungsgeschichte verzichtet werden muß, dafür aber eine dreifache
Aufgabenstellung dieser Arbeit geltend gemacht werden kann. Selbstverständlich ist sie
ein Beitrag zur saarländischen Bildungsgeschichte und damit zugleich zur Sozialge¬
schichte des Saarlandes, sie ist aber auch ein Beitrag zur saarländischen Landesgeschichte
und darüber hinaus ein Beitrag zum deutsch- bzw. saarländisch-französischen Verhältnis
nach 1945.
Die hier gewählte Breite bezieht die strukturelle Ausdeutung unter dem Aspekt des Wan¬
dels von Bildungseinrichtungen und Bildungsvorstellungen im industriellen Zeitalter mit
ein. Eine solche Intention läßt sich aber nur dann verwirklichen, wenn der angegangene
Zeitraum auch in seiner historischen Tiefe gesehen wird, wie dies besonders im Eingangs¬
und Schlußkapitel beabsichtigt ist. Unumgänglich werden darüber hinaus Vergleiche mit
der bildungspolitischen Entwicklung in der Bundesrepublik sein. Zu beachten sind wei¬
terhin bildungspolitische Entwicklungen in Frankreich, manchmal wird sich sogar eine
vergleichende Charakterisierung des deutschen und des französischen Bildungssystems
für ein besseres Verständnis der Vorgänge als nützlich erweisen. Die Berücksichtigung
langfristiger und grenzübergreifender Strukturen der Bildungsgeschichte schärft schlie߬
lich den Blick für die kontinuierlichen bildungsgeschichtlichen Entwicklungen in dieser
überwiegend industriell geprägten deutschen Region, die auch durch die vorübergehende
Trennung von Deutschland in ihren politischen, kulturellen, wirtschaftlichen und so¬
zialen Grundlagen nicht verfremdet wurde. Wohl ist ein Aufschwung des Bildungswesens
in diesen Jahren nach 1945 festzustellen, der im engen Zusammenhang mit der gegebenen
saarländischen Eigenstaatlichkeit steht. Läßt man die Motivationsfrage für den Kurs des
Saarlandes nach 1945 außer acht, so kann man sogar sagen, daß Politik und Bildung in
einer ungewöhnlichen Situation eine fruchtbare, vielgestaltige und zukunftsorientierte
Verbindung eingegangen sind.
In der Literatur, die sich mit der Geschichte der Saar im Zeitraum nach 1945 auseinander¬
setzt, war die Bildungspolitik bisher ein Randthema. Das gilt selbst für die sogenannten
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