erst gewährt, wenn die erklärte Bereitschaft zur saarländisch-französischen Zusammen¬
arbeit im Rahmen der vorgesehenen Wirtschaftsunion vorlag. Die Wirkung dieser er¬
zwungenen Verpflichtung verdeutlicht vor allem die Parteiengeschichte der Liberalen
(Deutsche Partei des Saarlandes (DPS)), die erst zugelassen wurden, nachdem sie ihren
Widerstand gegen eine Politik des ökonomischen Anschlusses und der Autonomie aufge¬
geben hatten. Als sie, nachdem im Jahre 1950 die Führung an Richard Becker und Hein¬
rich Schneider übergegangen war, erneut und noch heftiger gegen diese Grundentschei¬
dung zu opponieren begannen, da wurden sie wegen „staats- und verfassungsfeindlicher
Betätigung“61 verboten62. Bis zu diesem Zeitpunkt strukturierte sich das zugelassene poli¬
tische Parteienleben aus Christdemokraten (CVP), Sozialdemokraten (SPS), Liberalen
(DPS) und Kommunisten (KP).
Schulprogrammatisch orientierten sich diese Parteien, wie bereits im vorigen Kapitel fest¬
gestellt wurde, an überlieferten Erfahrungen der deutschen Bildungsgeschichte, d. h., sie
übernahmen im Geist ihrer weltanschaulichen Bindung jeweils die bildungspolitischen
Positionen, die ihrer parteipolitischen Geschichte entsprachen: Die CVP vertrat katego¬
risch das dogmatische katholische Schulprogramm des Zentrums, die SPS verfocht den sä¬
kularen bildungsoptimistischen Standort der deutschen Sozialdemokratie, die DPS sorgte
sich um das Prinzip der interkonfessionellen nationalen Einheitsschule mit Religionsun¬
terricht und die Kommunisten forderten entschieden die klassenlose atheistische Einheits¬
schule. Kern der schulpolitischen Aussage aller Parteien war also, wie in der Weimarer
Zeit auch, die Frage nach dem Charakter der öffentlichen Bildung, den sie insbesondere
für den Bereich der Volksschule näher festzulegen trachteten. Das traf vor allem auf die
CVP zu, die mit ihrem bereits oben konstatierten Anspruch auf ein christlich geprägtes
Schulwesen erheblich dazu beigetragen hat, daß alle saarländischen Parteien die Gestal¬
tung des Lebensbereichs Schule in enger Anlehnung an ihre jeweiligen Wertvorstellungen
vom Staatszweck zu begründen suchten. Diese Grundhaltung hatte zur Folge, daß an der
Saar der Maßstab schulpolitischer Willensbildung fast ausschließlich von den bildungsge¬
schichtlichen Erfahrungen in Deutschland und nicht von den zum Teil emanzipatorisch
und sozialkritisch akzentuierten Schulempfehlungen der alliierten Siegermächte be¬
stimmt wurde.
2.2 Die historisch begründeten Sonderinteressen des politischen Katholizismus
in Schulfragen
Der bewußte Rückgriff der saarländischen Parteien auf die Vergangenheit in der Schul¬
frage macht es notwendig, an dieser Stelle in gebotener Kürze auf ihre historische Ent¬
wicklung in Deutschland einzugehen. Sie hat ihren eigentlichen Ursprung im Wandel un¬
seres Landes zum Industriestaat, zu dem sich in Korrelation die neuzeitliche Bildungsge¬
sellschaft auszuprägen begann. Die Anfänge dieses Prozesses finden sich im frühen 19.
Jahrhundert, als das Verhältnis von Schule und Gesellschaft einerseits und Bildung und
Individuum andererseits neu bestimmt werden mußte. Im Laufe des 19. Jahrhunderts of¬
61 J. Hoffmann, Ziel, S. 448.
62 Es gehört zu den Merkwürdigkeiten des Geschehens im Saarland bis 1955, daß die Kommunisti¬
sche Partei ungeachtet ihrer Gegnerschaft zum wirtschaftlichen Anschluß und zur politischen
Absonderung der Saar von Deutschland nicht für illegal erklärt wurde und ungehindert politisch
aktiv bleiben durfte.
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