Full text: Bildungspolitik im Saarland

eingeführten Zentralabitur254 das eigentliche Kontrollinstrument für den gymnasialen 
Schulbereich. Der gewollte Steuerungseffekt gründet vor allem in der gänzlichen Verlage¬ 
rung der Prüfungskompetenzen auf den Bereich der Schulaufsicht, die nicht nur den 
Lehrer in der Beurteilung der Schülerleistungen ausschaltete, sondern auch Inhalt und Ef¬ 
fizienz seines Unterrichts überprüfte. Das bisher gültige kollegiale und auf Selbstkontrolle 
angelegte Prinzip des saarländischen Gymnasiums war damit praktisch ausgehöhlt. Dar¬ 
über hinaus zeigte es sich bald — und dies wurde dann auch in den kommenden Jahren 
immer wieder heftig kritisiert - daß man Praxen im Sinne der machtbürokratischen Ideen 
des französischen Zentralismus nicht einfach auf Schulen deutscher Tradition übertragen 
kann. Das im Grunde auf Nivellierung angelegte Prinzip des Zentralabiturs mußte inner¬ 
halb ejnes leistungsorientierten und differenziert strukturierten Gymnasiums, wenn es die 
verschiedenen sprachlichen und mathematisch-naturwissenschaftlichen Fächer umfas¬ 
send und ohne Rücksicht auf gesetzte Bildungsschwerpunkte auf hohem Niveau prüfen 
wollte, zu unglaublich harten Prüfungsanforderungen führen. „Damals erschien“, so der 
der CDU angehörende und nach 1955 als Mitarbeiter ins saarländische Kultusministe¬ 
rium einrückende Philologe Klaus Thewes im Jahre 1958, „ein Staatsexamen leichter als 
ein saarländisches Abitur“255. 
Im Zeichen einer gewollten politischen Instrumentalisierung des saarländischen Gymna¬ 
siums muß auch eine Verfügung von Straus gesehen werden, die nachdrücklich auf die 
Veranstaltung von Schulferien aufmerksam machte und dabei für die Programmauswahl 
in steigendem Maße die Berücksichtigung französischer Komponisten und Autoren emp¬ 
fahl256. Solche „Empfehlungen“ sind neben seiner Sprachenpolitik in der zeitgenössischen 
Saarlandliteratur immer wieder als eindeutige Belege für eine kollaborierende Gesinnung 
von Straus angeführt worden257. Gleichwohl muß man diese Wertung insofern relati¬ 
vieren, als Straus einen persönlichen Gestaltungswillen in der Bildungspolitik vertrat, der 
zwar den französischen Machtanspruch respektierte und sanktionierte, letztlich aber 
auch auf eigene und unverwechselbare Zielsetzungen zurückgriff, die er im Interesse einer 
wie auch immer zu gestaltenden saarländischen Eigenstaatlichkeit zu verwirklichen 
trachtete. Seine Eigenarten und Prämissen, die freilich oft den Eindruck eines mangelnden 
Wirklichkeitssinns verraten, müssen dabei nicht unbedingt in Elementen wie Katholizität, 
konfessionelle seminaristische Volksschullehrerbildung, intensiver französischer Sprach¬ 
254 Vgl. dazu Schreiben der Verwaltungskommission (Schulabteilung) — V/UI — T — 80/47 Bu/Ka — 
vom 11.9. 1947 an die Technische Hochschule Darmstadt. LA Saarbrücken, Bestand KM, Abt. 
Hochschulen, UIS-T und UT — T. Nach einer Mitteilung von Straus an Hector vom 29. 6.1948 
ist das Zentralabitur auf Anordnung der Militärregierung eingeführt worden. Es kann aber kein 
Zweifel darüber bestehen, daß Straus aufgrund seiner machtstaatlichen Denkweisen dieser 
Order gerne gefolgt ist. Zitat nach Schreiben von Straus an Hector vom 29. 6. 1948. LA Saar¬ 
brücken, Bestand Staatskanzlei, Akten des Direktors der Präsidialkanzlei, E 3 b. Straus selbst un¬ 
terrichtete die Leiter der höheren Schulen über die beabsichtigte Zentralisierung der Reifeprü¬ 
fung 1947 per Rundschreiben — E III — A I 20 - 2833/46 - vom 5. 9. 1946. LA Saarbrücken, Be¬ 
stand KM — Mk 4790. Siehe auch die Notiz zum Zentralabitur im Bericht der Éducation Publique 
innerhalb der Saarbrücker Militärregierung für den Monat Juni 1947. LA Saarbrücken, Bestand 
Handelsamt Saar Nr. 6. 
255 Zitiert nach K. Thewes, höhere Schulen, S. 273. 
256 Straus an Leiter der höheren Schulen vom 9. 1. 1947. LA Saarbrücken, Bestand KM, Abt. Allge¬ 
meine Verwaltung, Z II - A 2 b 1945 - 1952. 
257 Vgl. dazu R. H. Schmidt, Bd. 1, S. 172; K. Thewes, höhere Schulen, S. 271 und H. 
Schneider, S. 58. 
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