Blieskastel für 180 bis 200 katholische Lehramtsbewerberinnen und in Ottweiler für 180
bis 200 evangelische Schüler und Schülerinnen eingerichtet würden217. Die widerspruchs¬
lose Hinnahme dieser Ankündigung durch die Militärregierung macht deutlich, daß sie
im Interesse ihrer saarpolitischen Ziele nun auch auf diesem Sektor der Bildungspolitik
auf die Gestaltungswünsche einheimischer Politiker einging. Daß die Volksschullehrerbil¬
dung an der Saar nicht, wie es die Volksschullehrer erstrebten, in eine akademische Form
übergeleitet, sondern in der eingeschlagenen Bahn eines seminaristischen Ausbildungs¬
ganges, der fast nur auf den begabten Volksschüler fixiert blieb, festgeschrieben wurde,
geht in erster Linie auf Bestrebungen von Straus zurück. Vorbild war ihm jedoch nicht die
alte französische école normale, sondern das deutsche Lehrerseminar, wie es bis 1926 in
seiner preußischen Tradition im Saarland bestanden hatte218. Kennzeichnend dafür war
vor allem sein konfessioneller Charakter, denn darin unterschied sich im allgemeinen das
deutsche vom französischen Lehrerseminar, während es in seiner internatsmäßigen
Struktur und in dem Prinzip, den Berufsbildungsgang von der Volksschule über die Präpa-
randien aufzubauen, durchaus kongruente Wesensmerkmale hatte.
Die Anerkennung der konfessionellen Struktur als tragendes Prinzip im saarländischen
Schulwesen entsprach mehr oder weniger den schulprogrammatischen Vorstellungen der
Kirchen in Bezug auf das staatlich organisierte Bildungswesen in Deutschland, vor allem
aber den Wünschen der katholischen Kirche. Bekenntnisschule, Religion als ordentliches
Lehrfach, konfessionelle Lehrerbildung waren wesentliche Bestandteile der sogenannten
katholischen Schuldoktrin219, die die katholische Kirche im Zuge der Etablierung der mo¬
dernen Bildungsgesellschaft im Rahmen einer industriellen Wirklichkeit von Staat
und Gesellschaft für sich beanspruchte, um den ihr nach ihrer Auffassung erteilten göttli¬
chen Lehrauftrag umfassend erfüllen zu können. Die für sie in der unmittelbaren Nach¬
kriegszeit günstige schulpolitische Entwicklung an der Saar verdankte sie in erster Linie
Straus220, der über fünf Jahre lang energisch und entschieden eine Bildungspolitik vertrat,
die fast gänzlich den Forderungen der katholischen Kirche entsprach. Dazu gehörte letzt¬
lich auch die Verteidigung des altsprachlichen Gymnasiums, für dessen Erhaltung die Kir¬
chen schon mit Blick auf die sprachliche Bildung ihres priesterlichen Nachwuchses ein¬
traten221. Wenn Straus im Jahre 1975 behauptete, daß er von Anfang an, also auch schon
217 Straus an Militärregierung vom 22. 4. 1947. LA Saarbrücken, Bestand KM — Mk 4802. Die
Eröffnung dieser Seminare erfolgte z. T. erst im September 1948.
218 Das Saarbrücker Lehrerseminar stellte im Jahre 1926 seinen Lehr- und Ausbildungsbetrieb ein.
Die ehemaligen Lehrerseminare von Merzig, Ottweiler und St. Wendel, die in den Jahren vor dem
Ersten Weltkrieg gegründet worden waren, sind in der Zeit des Völkerbundregimes schon früh
in sogenannte Landesstudienanstalten umgewandelt worden. Ihr Bildungsziel war dem der soge¬
nannten Deutschen Oberschulen adäquat. Die geplante Einrichtung einer Pädagogischen Aka¬
demie in Saarbrücken, die Ende der zwanziger Jahre diskutiert wurde, war angesichts eines
starken Überangebots an Junglehrern zurückgestellt worden. Der saarländische Volksschulleh¬
rernachwuchs wurde vom Jahre 1926 vorwiegend an der katholischen Pädagogischen Akademie
in Bonn ausgebildet. Vgl. dazu P. Westhoff, S. 171 ff. in Verbindung mit E. Schaaf, S. 348.
Vom Jahre 1936 bis 1939 existierte in Saarbrücken eine Hochschule für Lehrerbildung. Vgl.
hierzu oben S. 41 und die dortige Anm. 90.
219 Weitere wichtige Forderungen dieser Doktrin waren: der kirchliche Erlaubnisvorbehalt für die
Erteilung des Religionsunterrichts (missio canonica), das Elternrecht, das nach kirchlicher Auf¬
fassung eingebunden ist in die Verpflichtung zur Taufe und zur katholischen Kindererziehung
sowie das Recht auf Gründung von Privatschulen durch Orden bzw. religiöse Kongregationen.
220 Näheres zur Person siehe unten, S. 184 ff.
221 Siehe oben, S. 54.
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