die Schulaufsichtsbeamten Franz-Josef Röder und Peter Zenner den Vorschlag, auf der
Oberstufe der Volksschule statt des Geschichtsunterrichts die Schüler über die Irrtümer
der nationalsozialistischen Weltanschauung zu belehren und den Leseunterricht solange
mit Hilfe der Bibel zu veranstalten, bis die Frage der Schulbücher gelöst sei201. Die Richt¬
linien für die allgemein- und berufsbildenden Schulen des Saarlandes vom 5. April 1946
wurden vor allem deswegen als demokratisch bezeichnet, weil sie in ihren Zielsetzungen
geeignet seien, der Jugend greifbar vor Augen zu führen, welchen Gefahren ein Volk wie
die Deutschen ausgesetzt sei, wenn es sich gottlos den Träumen der Vorherrschaft und der
eitlen nationalen Glorie hingibt, hinter welchen sich in Wirklichkeit doch nur die brutal¬
sten Machtgelüste und die kalte Berechnung eines maßlosen Ehrgeizes verbergen202.
Für die Militärregierung waren diese nicht immer glücklichen Versuche, den demokrati¬
schen Geist der neuen Schule im Einklang mit ihrem christlichen Charakter zu bestimmen,
ein weiterer Wegweiser für die bildungspolitische Marschroute, die sie einzuschlagen
hatte, wenn sie die Bereitschaft der wahrscheinlich stärksten politischen Kraft an der Saar,
nämlich der CVP, für eine Zusammenarbeit gewinnen wollte. Daß diese Partei gezielt auf
die schulpolitischen Wertvorstellungen des deutschen Katholizismus zurückgreifen
würde, war der Militärregierung schon durch Straus bekannt gemacht worden, der zwar
vor 1935 noch den Sozialdemokraten sympathisierend nahegestanden hatte203, der aber
inzwischen als Protegierter der Militärregierung und seit dem Frühjahr 1946 als füh¬
rendes Mitglied der CVP zu einem der entschiedensten Verfechter katholischer Schuldok¬
trinen geworden war. Welche schulpolitischen Vorentscheidungen die Militärregierung
im Interesse ihrer Zusammenarbeit mit den im Saarland dominierenden Politikern aus
dem christlichen Lager getroffen hat, soll im folgenden Kapitel untersucht werden.
8. Bildungspolitische Weichenstellungen
Ein erstes Signal für ihre guten Absichten, den bildungspolitischen Selbstbestimmungs¬
willen der Saarländer respektieren zu wollen, setzte die Militärregierung schon im Sep¬
tember 1945, also wenige Tage vor dem allgemeinen Öffnungstermin der Schulen am 1.
Oktober, als sie das nur mit Ausnahme der nationalsozialistischen Zeit von 1937 bis 1945
stets konfessionell strukturiert gewesene Volksschulwesen an der Saar für verbindlich er¬
klärte. Es wurde dort (gemeint ist das Saarland) nicht abgestimmt (wie in der französi¬
schen Besatzungszone), sondern einfach auf Antrag der beiden Kirchen, der von Dechant
Kremer und dem evangelischen Pfarrer Wehr gestellt wurde, die Bekenntnisschule einge¬
führt204, Nur da, wo es unüberwindliche Personal- und Raumprobleme gab, sollten ka¬
tholische und evangelische Kinder mit Ausnahme des Religionsunterrichts gemeinsam ge¬
201 Röder und Zenner an Schulabteilung des Regierungspräsidiums, o. D. LA Saarbrücken, Bestand
Kreisschulamt Ottweiler Nr. 1.
202 Vgl. dazu das Schreiben der Militärregierung, die die Richtlinien zu genehmigen hatte, an die
Schulabteilung im Regierungspräsidium — Nr. 5016 DAA/E — vom 5.4.1946. Das Zitat gibt eine
Äußerung der Militärregierung wider, mit dessen Hilfe der innere Zusammenhang von demokra¬
tischer Erziehung und nationalsozialistischer Vergangenheitsbewältigung positiv gewürdigt
wird. LA Saarbrücken, Bestand Regierungspräsidium Nr. 64.
203 Interview E. Straus vom 1.5. 1978.
204 BA Trier, Abt. 105, Chronik 1945, S. 75.
101