mache. Für Burghardt war die Einführung einer Einheitsschule unbedingt erforderlich,
weil nicht allein Stellung, Herkunft und Vermögen der Eltern den Weg zu den höheren Bil¬
dungsstätten öffnen dürften. Im Interesse der demokratischen Einheit unseres Volkes for¬
derte Burghardt apodyktisch eine klare Scheidung von Kirche und Schule. Privatschulen
sollten grundsätzlich nicht mehr geduldet werden. Schließlich plädierte Burghardt für
eine Reform des gesamten Hochschulwesens, die vom Geist eines wahrhaft fortschrittli¬
chen Humanismus und einer kämpferischen Demokratie durchdrungen sei. Das, was
Burghardt hier bildungspolitisch verlangte, erinnerte, insbesondere mit Blick auf die von
ihm erwünschten Bildungsstrukturen und das von ihm erhoffte staatliche Bildungsmo¬
nopol, an die radikale Sprache der Entschiedenen Schulreformer und ihr sozialistisches
Schulprogramm in der Zeit der Weimarer Republik, sowie an die laizistischen Tradi¬
tionen in der französischen Bildungsgeschichte. Solche Anstöße hatten aber schon im
Frühjahr 1946 im Saarland keine Chance mehr, realisiert zu werden.
Hauptverantwortlich für diese Einschätzung ist die Tatsache, daß das französische Saar¬
konzept damals schon in seinen möglichen Konsequenzen abzuschätzen war. Die von
Frankreich selbst im Fall einer politischen Annexion kaum zu umgehende Gewährung
einer Kulturautonomie mußte dazu führen, daß die Militärregierung schon damals den
bildungspolitischen Willen der zu erwartenden Mehrheitspartei an der Saar zu erwägen
hatte, und das konnte aufgrund der vorgegebenen politischen Strukturen nur die bald
unter der Führung von Johannes Hoffmann auftretende Christliche Volkspartei (CVP)
sein. Sie ging, und damit wird schon jetzt eine wichtige Prämisse ihres erst im nächsten
Hauptkapitel zur Diskussion stehenden Bildungsprogramms erwähnt, von einer Demo¬
kratieforderung aus, die eindeutig durch ein gottbezogenes Bild vom Menschen determi¬
niert war. Die CVP knüpfte in ihrer Interpretation des Demokratischen bewußt an Wert¬
vorstellungen des politischen Katholizismus in Deutschland an, der sich in der zweiten
Hälfte des 19. Jahrhunderts in Parteien und Verbänden zu einer schlagkräftigen Bewe¬
gung formiert hatte. Diese religiös und kirchlich gebundenen Gruppierungen hatten für
den emanzipatorischen und egalitären Anspruch des weltanschaulichen Sozialismus
wenig Verständnis, für sie war die Sicherung des christlichen Staats- und Gesellschaftsge¬
dankens in einer dem Industriezeitalter gemäßen politischen Kulturform entscheidend.
Aus dieser Grundhaltung heraus, für die im allgemeinen und besonders in der Schulpolitik
eine starke Frontstellung gegen glaubens- und kirchenfeindliche Bestrebungen typisch
war, hat auch die CVP den Wert des Demokratischen interpretiert. Dabei waren auch für
sie die leidvollen Erfahrungen mit der Schule im Dritten Reich Ausgangspunkt für ihre
Forderungen. Schule und demokratischer Staat als Antwort auf die apädagogische Situa¬
tion in der Zeit der Hitlerdiktatur, das war für die CVP in erster Linie eine christlich-idea¬
listische Erneuerung der öffentlichen Bildung. Charakteristisch für diese Einstellung sind
zwei Beispiele aus dem Bereich der saarländischen Schuladministration, die unter Straus
schon bald im Interesse einer christlichen Schulperspektive personalpolitisch abgesichert
worden war. Da alle Lern- und Lesebücher aus den Hitlertagen für die Fächer Deutsch
und Geschichte zum Unterrichtsgebrauch nicht mehr zugelassen waren und eine sofortige
Drucklegung ... — bedingt durch die Papierknappheit — unmöglich war200, unterbreiteten
200 Schulabteilung der Verwaltungskommission - Tagebuch Nr. 594/47 — an Schulräte vom 28. 5.
1947. LA Saarbrücken, Bestand Kreisschulamt Ottweiler Nr. 11.
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