zugsgeld und damit die Verleihung einer rechtlich bevorzugten Stellung an die Be¬
wohner der neuen Stadt gegenüber den Bewohnern anderer Städte oder der Siedlun¬
gen des flachen Landes, das gängige Mittel gewesen, um die Niederlassung in einer
neu gegründeten Stadt vorteilhaft erscheinen zu lassen.
In der zweiten Hälfte des 16. Jhs. hatten verschiedene deutsche Landesherren, vor
allem die Pfälzer Wittelsbacher, das Vorrecht der freien Religionsausübung in diesen
Katalog von Privilegien aufgenommen. Zwar sind nicht alle Exulanten- und Refugian-
tensiedlungen als Festungsstädte konzipiert worden, nicht einmal alle als Städte, aber
die kurzpfälzischen Festungsstädte Frankenthal, Mannheim und Lixheim und das
pfalz-lützelsteinische Pfalzburg sollten nach dem Willen ihrer Gründer durch die Zu¬
sicherung des Rechtes freier Religionsausübung eben für wallonische und hugenotti¬
sche Glaubensflüchtlinge besonders anziehend gemacht werden6. In der Tat ist dies ja
auch weitgehend gelungen.
Das Mittel, anderenorts verfolgten konfessionellen Minderheiten in einer neu ange¬
legten Stadt eine neue Bleibe zu bieten, schied für König Ludwig XIV. von Frankreich
aus, im Gegenteil, durch die Aufhebung des Ediktes von Nantes (1685) loste er eine
neue hugenottische Auswanderungswelle aus. Er bediente sich bei seinen Neugrün¬
dungen des bewährten Mittels durch die Gewährung von Freiheiten, Anreize zur
Ansiedlung und Niederlassung zu schaffen, ferner versuchte er durch die Einrichtung
von Märkten, Behörden und Gerichten seinen neuen Städten im wirtschaftlichen,
administrativen und judikativen Bereich zentralörtliche Funktionen zu geben. Dieser
Ansiedlungspolitik möchte ich mich im folgenden zuwenden, mich aber dabei auf die
in den östlichen französischen Grenzprovinzen gegründeten Festungsstädte beschrän¬
ken und Neugründungen in anderen Landschaften, wie Montdauphin in den französi¬
schen Alpen oder Montlouis in den Pyrenäen außer acht lassen. Die Privilegien der
einzelnen neu angelegten oder wiederaufgebauten Festungsstädte in Lothringen, im
Elsaß und in der Saarprovinz möchte ich nach Form und Inhalt miteinander verglei¬
chen und der Frage nachgehen, ob von Fall zu Fall auf die örtliche Situation zuge¬
schnittene Einzelprivilegien verliehen wurden oder ob sich bei allen ein mehr oder
weniger gleichförmiger Katalog von Rechten und Freiheiten feststellen läßt, der auf
eine überlokale, vielleicht sogar zentrale Konzipierung der Ansiedlungspolitik schlie¬
ßen lassen könnte, schließlich ob die einzelnen die Privilegierung verfügenden Urkun¬
den voneinander abhängig oder miteinander verwandt sind, so wie sich dies bei mit¬
6 Vgl. dazu die folgenden neueren Arbeiten: Gerhard Kaller, Wallonische und niederländische
Exulantensiedlungen in der Pfalz im 16. Jh., in: Oberrhein. Studien 3, 1975 S. 327—351.
Derselbe, Bevölkerung und Gewerbe in Frankenthal, Neustadt und Lambrecht am Ende des
16. Jhs., in: Aus Stadt- und Wirtschaftsgeschichte Südwestdeutschlands (=Veröffentlichungen
der Kommission für geschichtliche Landeskunde in Baden-Württemberg, Reihe B 85) 1975,
Derselbe, Staat, Gesellschaft und Kirche in Frankenthal im 16. Jh., in: Bll. für pfälz. Kirchen¬
geschichte und religiöse Volkskunde 47, 1980 S. 5—12, K. E. Collofong, Die Entstehung
der Lambrechter Wallonengemeinde, in: ebenda 39, 1972 S. 16—48, H. W. Herrmann,
Pfalzburg und Lixheim, zwei frühneuzeitliche wittelsbachische Städtegründungen am Rande
der Vogesen, in: ebenda 47, 1980 S. 13—26, Volker Press, Graf Otto von Solms-Hungern
und die Gründung der Stadt Mannheim, in: Mannheimer Hefte 1975 Heft 1 S. 9—23, F.
Walter, Die ersten Privilegien der Stadt Mannheim vom J. 1607, in: Mannheimer Ge-
schichtsbll. 2, 1901, vgl. auch H. Bott, Gründe und Anfänge der Neustadt Hanau
1596—1620, (=Veröffentlichungen der Historischen Kommission für Hessen und Waldeck)
1, 1970.
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