Full text: Beiträge zur Geschichte der frühneuzeitlichen Garnisons- und Festungsstadt

temberg, die ja von der französischen Rheinpolitik ebenfalls betroffen waren? Würt¬ 
temberg hat versucht, neutral zu bleiben. Warum ist Frankreich laufend durch diese 
Territorien marschiert und hat ihnen ungeheuer große Lasten auferlegt, ohne daß die 
Fürsten wie Eberhard III. und seine Nachfolger das geringste dagegen unternehmen 
konnten? 
Georg Heilingsetzer, Linz/D.: Wir wissen, daß von österreichischer Seite her das 
renversement des alliances vor allem von dem Grafen und Fürsten Kaunitz betrieben 
wurde und daß er sehr starke Widerstände dabei zu überwinden hatte. Nicht zuletzt 
ist auch der Gemahl Maria-Theresias, Franz Stephan, als ehemaliger Herzog von 
Lothringen stets dagegen gewesen. Auf der anderen Seite war Kaunitz einige Zeit 
Botschafter in Frankreich und konnte hier schon in diesem Sinne wirken. Nun würde 
mich interessieren, wie es auf der anderen Seite ausgesehen hat, ob es nicht auch in 
Frankreich traditionelle Kräfte gegeben hat, die gegen dieses Bündnis mit Österreich 
gewesen sind, und welche Argumente angeführt wurden, die zugunsten dieses Bünd¬ 
nisses gesprochen haben. Ich glaube, das katholische Moment allein kann es nicht 
gewesen sein, denn bekanntlich hat es den Allerchristlichsten König nie gehindert, mit 
den Türken in Verbindung zu treten und mit protestantischen Reichsfürsten, die gegen 
den Habsburger agierten. 
Jean Pierre Koltz, Luxemburg: Ich habe immer angenommen, daß letztendlich der 
zweite Schlesische Krieg bei der Veränderung der Allianzen den Durchbruch herbeige¬ 
führt hat, daß der Verlust Schlesiens Habsburg dazu getrieben hat, Hilfe auf dem 
Kontinent zu suchen, weil England so schwer zugänglich war. Die Frage die sich für 
Habsburg stellte, war: Wie kann man Preußen am besten bekämpfen, um Schlesien 
wiederzugewinnen? So war auch im Allianzvertrag die Wiedergewinnung Schlesiens 
ein Hauptanliegen; dafür sollte ein Teil der Niederlande an Frankreich fallen. 
Werner Gembruch, Maintal: Herr Weber hat mit Recht die Würdigung der fran¬ 
zösischen Rheinpolitik aus der engen für Stegemanns Buch „Der Kampf um den 
Rhein“ (1925) charakteristischen Perspektive eines Zweikampfes zwischen Deutsch¬ 
land und Frankreich herausgenommen. Die französische Rheinpolitik war funktionell 
eingebunden in die französische Europapolitik. Darüberhinaus ist es meines Erachtens 
notwendig — Frau Ennen hat bereits darauf hingewiesen — die Rheinpolitik einge¬ 
bunden in die weltpolitischen Auseinandersetzungen zu sehen. Dann wird man kaum 
davon sprechen können, daß der französisch-habsburgische Gegensatz abgelöst wurde 
durch einen französisch-englischen. Beide überlagern sich vielmehr gleichzeitig, wobei 
der von 1688 bis 1815 ausgetragene zweite 100jährige Krieg zwischen Frankreich und 
England zweifelsohne das bedeutsamste Geschehen der Großen Politik ist. Der fran¬ 
zösisch-habsburgische Gegensatz, der sich zusehends abschwächt, scheint zu domi¬ 
nieren, solange England wegen innerer Konflikte weitgehend als aus der europäischen 
Politik ausgeschieden gelten kann. Aufschlußreich ist in diesem Zusammenhang 
Vaubans Briefwechsel mit dem Marquis de Puyzieulx, einem mit ihm befreundeten 
Diplomaten, und zwar besonders deshalb, weil es sich hier nicht um amtliche Äuße¬ 
rungen handelt, bei denen beide auf den König oder andere ihnen Vorgesetzte Persön¬ 
lichkeiten hätten Rücksicht nehmen müssen. Hier wird deutlich, was auch aus Vau¬ 
bans Denkschrift über den Kaperkrieg von 1695 hervorgeht, daß bereits in den späten 
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