Full text: Beiträge zur Geschichte der frühneuzeitlichen Garnisons- und Festungsstadt

Dieser Fluß Rhein, dieses Hindernis, das schwierig zu überwinden ist, wird zweitens 
zu einer abstrakten Demarkationslinie; das „au deçà“ und das „au delà du Rhin“ 
bezeichnet einen Abschnitt, der von der karthographischen Darstellung ausgehend den 
Raum schlagwortartig aufteilt und untergliedert, und als Demarkationslinie kann er 
dann Grenzlinie werden. 
Drittens schließlich und zumal ist „Rhein“ dann aber auch Bezeichnung für einen 
politischen Raum, dessen besondere Bedeutung sich einerseits natürlich aus den vor¬ 
genannten Faktoren ergibt, dessen Bedeutung aber darüberhinaus diesen Raum über¬ 
schreitet und in das Reich hineinreicht, so wie das im 16. Jahrhundert die Königin 
Maria, die Statthalterin der Niederlande, formuliert hatte: La vraye force et réputa¬ 
tion de la Germanie gist alentour du Rhin pour y estre les quatre Electeurs .. ,5, 
„Rhein“ in diesem komplexen Sinn: als strategische Sperre, als abstrakte Demarka¬ 
tionslinie und vor allem als politischer Raum ist Gegenstand der französischen Rhein¬ 
politik. 
Betrachten wir also nun nach diesen Vorüberiegungen den Verlauf und die Charak¬ 
teristika der französischen Rheinpolitik im Rahmen der französischen europäischen 
Politik zwischen 1648 und 17566. 
Die Ausgangslage 1648 ist ein ganz deutliches Ergebnis der gegen eine habsbur- 
gisch-spanische Universalmonarchie gerichteten Politik Richelieus. Für die spanische 
Europapolitik war eine Beherrschung der Verbindung zwischen Oberitalien und den 
Niederlanden aus mehreren Gründen von vitaler Bedeutung; vor allem in der 
2. Hälfte des 16. Jahrhunderts während des niederländischen Aufstandes hatte sich 
diese Bedeutung gezeigt. Die Richelieu’sche Protektions- und Passagenpolitik7, so wie 
sie in dem Avis vom Januar 1629 bereits definiert worden war8, und wie sie auch 
noch in seinen ersten Instruktionen für einen Friedenskongreß Umrissen ist9, hatte 
versucht, diese Nord-Südachse durch Interventions- und Okkupationsmöglichkeiten 
in der West-Ostrichtung zu unterbrechen, und diese Möglichkeiten auf Dauer zu si¬ 
chern. Die Protektionspolitik10 war hier das gegebene Mittel — Kurtrier und Speyer 
5 Schreiben an Karl V. vom 24. September 1551. Zit. bei Gaston Zeller, La Réunion de Metz à 
la France (1552—1648). Ière Partie. L’occupation, Paris 1926, S. 378. 
6 Für die großen Zusammenhänge, die im folgenden dargestellt werden, sei hier ein für allemal 
verwiesen auf die gängigen Handbücher und die dort zu erschließende Spezialliteratur, in er¬ 
ster Linie Theodor Schieder (Hrsg.), Handbuch der europäischen Geschichte. Band 4, Stutt¬ 
gart 1968, sowie Franz Petri und Georg Droege (Hrsg.), Rheinische Geschichte. Band 2. 
Neuzeit. Düsseldorf (1976). Ausdrücklich hingewiesen sei auch auf die Einführungen, die 
Georges Livet den von ihm herausgegebenen drei Bänden des Recueil des Instructions, 
XXVIII, Etats allemands, vorangestellt hat (I, L’Electorat de Mayence, Paris 1962. II, L’Elec- 
torat de Cologne, Paris 1963. III, L’Electorat de Trêves, Paris 1966). 
7 Vgl. hierzu Hermann Weber, Richelieu et le Rhin, in: Revue Historique CCXXXIX, 1968, 
S. 265—280. 
8 Mémoires du Cardinal de Richelieu. Publiés d’après les manuscrits originaux pour la Société 
de l’Histoire de France (Série antérieure à 1789) avec le concours de l’Institut de France — 
Académie Française, IX (1629), Paris 1929. S. 14—71. 
9 Fritz Dickmann und Kriemhild Goronzy (Bearb.), Die französischen Instruktionen 
(1636—1643). Acta Pacis Westphalicae. Serie L Instruktionen. Band 1. Frankreich, Schweden, 
Kaiser, Münster 1962, hier Nr. 2 und 3, S. 21—55. 
10 Vgl, hierzu Hermann Weber, Frankreich usw., sowie Wolfgang Hans Stein, Protection 
Royale. Eine Untersuchung zu den Protektionsverhältnissen im Elsaß zur Zeit Richelieus. 
1622—1643. (Schriftenreihe der Vereinigung zur Erforschung der Neueren Geschichte 9), 
Münster 1978. 
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