gleichen Rouillé für den neuen französischen Gesandten am Wiener Hof, Stainville3.
Hier wurden als die maximes politiques de la France par rapport à la Maison d’Autri¬
che depuis François Ier jusqu’à nos jours genannt: zu verhindern, daß die seit Karl V.
gegebenen Ziele der Errichtung einer spanischen .Universalmonarchie in Europa ver¬
wirklicht würden. Allerdings wird in dieser Instruktion auch eine andere, allgemeinere
Maxime unmißverständlich ausgesprochen, die dieser Europapolitik zugrunde lag:
L’objet politique de cette couronne (Frankreich) a été toujours de jouer en Europe le
rôle supérieur qui convient à son ancienneté, à sa dignité et à sa grandeur ; d’abaisser
toute puissance qui tenteroit de s’élever au-dessus de la sienne, soit en voulant usurper
ses possessions, soit en s’arrogeant une injuste prééminence, soit enfin en cherchant à
lui envoler son influence et son crédit dans les affaires générales.
Setzen wir voraus, daß diese Selbstinterpretation eine zutreffende Beschreibung des
Systems der französischen europäischen Politik seit Beginn des 16. Jahrhunderts bis
zur Mitte des 18. Jahrhunderts ist, so stehen die Jahre 1648 und 1756 und die Jahr¬
zehnte dazwischen in der Kontinuität einer europäischen Politik, die einer habsburgi¬
schen Vormachtstellung in Europa den Kampf ansagt, und die um die Errichtung
einer europäischen Mächteverteilung besorgt ist, die eine solche Vormachtstellung
verhindern will, aber so, daß Frankreich selbst dabei die Kontrolle über dieses Europa
behält. Gleichzeitig sind die Jahre 1648—1756 dann die letzte Phase dieser gegen
Habsburg gerichteten Politik. Das Renversement das Alliances beendet sie. Der
Gegensatz zu Habsburg ist abgelöst worden durch den Gegensatz zu England. Was
jedoch unverändert bleibt, ist der Anspruch Frankreichs, in diesem Europa jene Macht
zu sein, die dazu berufen ist, „le repos de l’Europe“ vor hegemonialen Usurpationen
jedweder anderen Macht zu schützen.
Die französische Rheinpolitik zwischen Westfälischem Frieden und Renversement
des Alliances überblicken wollen, müßte dann in erster Linie heißen zu überprüfen, ob
und inwieweit sie sich in dieses grundsätzliche System der französischen europäischen
Politik einfügt, ob und inwieweit sie von diesem System bestimmt ist.
Von Rheinpolitik reden, setzt sodann aber auch voraus, daß man sich verständigt,
was mit „Rhein“ gemeint ist. „Rhein“ ist hier ein Komplex von mehreren Komponen¬
ten. „Rhein“, das ist selbstverständlich zunächst einmal der Fluß, der aufgrund seiner
Beschaffenheit eine Sperre bilden kann und damit eine strategische Bedeutung besitzt,
die sich als solche sogar auch psychologisch auswirken kann. Typisch hier das Verhal¬
ten jener französischen Soldaten, die im Juni 1632 als ein regelrechtes Kommandoun¬
ternehmen vom Saargebiet aus und durch die Pfälzer Wälder kommend den Rhein
zwischen Bingen und Lorch überquerten, um dann die trierische Festung Ehrenbreit¬
stein vom Hinterland der rechten Rheinseite aus zu besetzen. Neben der Siegesmel¬
dung, daß die Waffen des Königs damit nun jenseits des Rheins stünden, steht in dem
Bericht des Kommandoführers auch, daß ein Teil der Soldaten weggelaufen war, als
sie erfuhren, wohin es gehen sollte, und daß er vor dem Rheinübergang eigenhändig
eine Meuterei niederschlagen mußte4.
3 Mémoire pour servir d’instruction à M. le Comte de Stainville, Ambassadeur du Roi à Vienne,
Compiègne, 31 juillet 1757. Recueil des Instructions etc., I, Autriche, par Albert Sorel. Paris
1884. S. 356—379, hier S. 356 f.
4 Hermann Weber, Frankreich, Kurtrier, der Rhein und das Reich 1623—1635, (Pariser
Historische Studien 9), Bonn 1969, S. 203 f.
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