Full text: Beiträge zur Geschichte der frühneuzeitlichen Garnisons- und Festungsstadt

fikatorische Anlage gebraucht12: Burgen und Städte bleiben nebeneinander bestehen; 
sie unterschieden sich aber verfassungsrechtlich, wirtschaftlich und in der sozialen 
Zusammensetzung der Bewohner klar voneinander. Die modernen Festungen werden 
sehr viel seltener nur als Festungen geplant. — Die mittelalterlichen Städte legen sich 
Befestigungen zu, die alle Siedlungsbestandteile umfassen und oft erweitert werden, 
um neu entstandene Vorstädte einzuschließen. Solche Stadterweiterungen waren fast 
beliebig möglich; der moderne Festungskranz dagegen, der ein kostspieliges Dauer¬ 
bauwerk war, legte den Stadtumfang nahezu unverrückbar fest, so daß eine Erweite¬ 
rung nur unter großen Schwierigkeiten vorgenommen werden konnte. Die mittelalter¬ 
lichen Mauern hingegen engen die Stadt nicht ein; sie schützen Leben und Besitz der 
Bewohner, ihre Vorratsspeicher und Werkstätten, das Marktleben, die Marktbesu¬ 
cher, die Kirchen und Klöster im Stadtgebiet. Dieser Schutz war erforderlich ange¬ 
sichts der steten Gefährdung des Friedens. Die relative Kleinräumigkeit der sich oft 
überschneidenden Herrschaftssphären, die Auseinandersetzungen der Könige mit 
ihren Großvasallen, der Vasallen untereinander, die Kämpfe zwischen Stadtkommu¬ 
nen, Fürstentümern und Territorien — das alles hatte zur Folge daß der Friede mehr 
durch ständige regionale Fehden als durch große sich mit Friedenszeiten abwechselnde 
Kriege bedroht war; die Fehde war ein anerkanntes Rechtsmittel in Deutschland bis 
1495, und auch die Gottes- und Landfriedensbewegung hatte es nicht vermocht, sie zu 
beseitigen. Das städtische Wirtschaftsleben konnte sich ohne Markt- und Stadtfrieden 
nicht entfalten, daher die Mauern. Es sind denn auch oft akute Anlässe, die zu den 
großen Stadtbefestigungen des 11., 12. und 13. Jahrhunderts führten. Dabei konsta¬ 
tieren wir immer wieder einen engen Zusammenhang zwischen Mauerbau und der 
Erringung städtischer Freiheiten und dem Aufbau einer effizienten Kommunalverwal¬ 
tung für diese große Gemeinschaftsaufgabe. In Köln z. B. gehen die Mauerbauten und 
Stadterweiterungen von 1106 und 1179/80 mit dem Ausbau der Stadtverfassung 
parallel13. Die auf der Landseite 5450 m lange Mauer14 besaß einen hohen defensiven 
Wert, zwischen 882 und 1945 hat kein Feind Köln erobern können. Die in ihrer offe¬ 
nen Marktsiedlung Brandschatzungen immer wieder ausgesetzten Bonner Bürger 
waren sehr einverstanden, daß der erzbischöfliche Stadtherr ihnen 1244 befahl, die 
Stadt zu befestigen, ihnen dafür ihre besonderen Freiheiten bestätigte und die Steuer 
fixierte. „Glühend vor Eifer“ berichtet eine zeitgenössische Chronik, „die Stadt und 
die errungene Freiheit zu bewahren, erbauten die Bürger einen hölzernen Palisaden¬ 
zaun auf dem Wall über dem Graben und führten die neuen Tore als stattliche Stein¬ 
bauten auf“15. 
Die mittelalterlichen Stadtmauern sind also das Werk der Bürger, die freiwillig die 
großen Opfer an Geld und Arbeit — Wachdienste, Bauarbeiten — bringen. Die gro¬ 
12 Edith Ennen, Die Forschungsproblematik Bürger und Stadt — von der Terminologie her 
gesehen (J. Fleckenstein, u. K. Stackmann, Hrsg, über Bürger, Stadt u. städt. Literatur im 
Spätmittelalter) Göttingen 1980, S. 9—26. 
13 Edith Ennen, Erzbischof und Stadtgemeinde in Köln bis zur Schlacht von Worringen (1288), 
(wie Anm. 1) S. 396 ff. 
14 Ernst Göbel, Das Stadtgebiet von Köln. Ein Abriß seiner Entwicklungsgeschichte von der 
Römerzeit bis zum Ende des zweiten Weltkriegs. 2. Aufl. Köln 1948, S. 8 (freundl. Hinweis 
von Frau Dr. Henriette Meynen). 
15 Edith Ennen und Dieter Höroldt, Vom Römerkastell zur Bundeshauptstadt, Bonn 1976, S. 
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