des militärischen. Nachdem schon Georg Münter in einer Neubearbeitung seiner
bahnbrechenden Studie zur Idealstadt 1957 diesen Dualismus nach dem Schema eines
ziemlich hausbackenen Marxismus herausgearbeitet hatte 34, brachte H. De la Croix
1960 eine Untersuchung heraus35, die sich um den Nachweis einer Entwicklung unter
Zwang bemühte, also ein ständiges feindliches Gegeneinander von bürgerlicher Stadt
und fortifikatorischer Zwangsjacke. Von ihren ersten Anfängen bildet sich ihm zu¬
folge die Idealstadtidee der Renaissance unter den Spannungen eines „split“ heran,
der unheilvoll verläuft. Zu einer Integration der beiden antagonistisch geschilderten
Bestandteile kommt es nicht mehr. Sicherlich gibt es in der Planungstätigkeit des
Cinquecento, namentlich bei den Utopisten, deutlich wahrnehmbar zwanghafte und
spannungsgeladene Verhaltensweisen, die sich aber nicht generell auf die Gesamt¬
geschichte der Festungsstadt, besonders ihren Verlauf im Zeitalter des Absolutismus,
ausweiten lassen. Hatte wirklich das mathematische System eines Dilich, Coehoorn
oder Vauban die bürgerliche Stadt vergewaltigt, war es ein Naturgesetz, daß Fortifika-
tion und urbanes Leben Todfeinde sein mußten? Hier scheint mir „Entfesti¬
gungs-Ideologie“ des 19. Jahrhunderts am Werk, Frühmarxismus also, der an Ideen
eines Engels oder Lassalle gemessen werden sollte und dafür verantwortlich ist, daß
wir heute im deutschsprachigen Raum so viele Städtebilder nur noch in verstümmelter
Form besitzen. Die eben berühmte Problematik bedarf einer gründlichen Revision
auch von Seiten einer marxistischen Kunstgeschichtschreibung, um dem Phänomen
der Festungsstadt im Rahmen unseres Fachs gerecht zu werden.
Dies ist eine unumgängliche Notwendigkeit. Die Denkmalpflege braucht Hand¬
haben für ihre Entscheidungen. Vielerorts wird die Wiederherstellung von verschütte¬
ten und demolierten Festungsanlagen in Erwägung gezogen. Fest eingeplant ist dies
bei den Restaurierungsarbeiten an der Burg Hämeenlinna in Finnland, deren Bastio-
närbefestigung aus dem Jahr 1752 man an der Nordflanke vollständig wiederherstel¬
len will. Es kann sich sogar dahin entwickeln, daß zukünfig derartigen Vorhaben eine
gewisse Priorität eingeräumt wird, nicht allein zur Wiederherstellung von Sites histo-
riques sondern zur Pflege eines Bau- und Kunstdenkmals gemäß dem Denkmalsbegriff
eines Dehio, an dem sich heute noch die Gesetzgebung weitgehend orientiert. Ob die
Forschung mit diesem Geschehen Schritt halten kann, muß sich noch erweisen.
34 G. Münter, Idealstädte, ihre Geschichte vom 15.—17. Jahrhundert, Berlin 1957.
35 Military Architecture and the Radial City Plan in Sixteenth Century, The Art Bulletin XLII,
1960, S. 263-290.
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