stung und keinen Nutzen gegeben hat, war der alleinige Grund der Eroberung in
Ungarn der ständige Drang nach Wien, nach Mitteleuropa. Diesen Drang zu blockie¬
ren war nur in der Höhe von Belgrad, Buda und Wien möglich, und da die Türken
zwei dieser Stufen schon erobert hatten, war es unbedingt erforderlich sie im Vorfeld
von Wien aufhalten zu können. Mit diesem strategischen Ziel wurde der Rest des
Ungarischen Königreichs im Westen, als militärische Grenze, als Verteidigungsgürtel
seit der Mitte des 16. Jahrhunderts ausgebaut4. (Abb. 2) In einer ununterbrochenen
Kette wurden zwei Jahrhunderte lang so die kleineren Vorstöße wie die größeren
Angriffe auf dem ungarischen Boden ausgefochten. Das strategische Ziel dieser Ver¬
teidigung, wie bekannt, war erreicht: Wien und die Erbländer (Österreich) wurden nie
erobert. Das ungarische Land mußte aber diese historische Leistung schwer bezahlen:
wegen der enormen Menschenverluste im 16.—17. Jahrhundert weist unsere demo¬
grafische Entwicklung eine Null-Zunahme auf und unsere technisch-ökonomische
Struktur blieb in dieser Periode starr und unverändert. Das Ende der türkischen
Okkupation erreichten wir mit einer folgenschweren Rückständigkeit im wirtschaftli¬
chen und sozialen Bereich.
Nach der Besetzung des mittleren Teiles des Landes (1541) ließen die Türken die
hier vorhandenen Burgen ausbauen, ausstatten und mit starken Besatzungen versehen;
die neuen türkisch-ungarischen Regierungsbezirke lieferten vom Beginn an die militä¬
rische und wirtschaftliche Basis des weiteren türkischen Vormarsches. Das osmanische
Reich hatte immer eine Militärorganisation, die über einen starken Grenzschutz ver¬
fügte, so machte z. B. in 1525 die Besatzung der Festungen in den Balkanprovinzen
24 107, in Vorderasien 11 355 und in Ägypten 5 611 Kopf aus, ungefähr zweimal so
viel, als die Zahl der mobilen Armee5. Es scheint, daß wenigstens im 16. Jahrhundert
die Regierung zu Stambul die relativ stärkste Besatzungsmacht auf dem ungarischen
Boden stationieren ließ. In 1560 standen 10 532 Soldaten auf der Soldliste des Budaer
Bezirkes in der Mitte des Landes6. Die Gesamtzahl des Militärs in allen in Ungarn
befindlichen Regierungsbezirken lag eindeutig über 20 000 Mann. Die großen An¬
griffsarmeen kamen immer von dem Balkan herauf, aber die ohne Sold, nur für die
Beute kämpfenden, irregulären Einheiten, die in dem Raum der Festungen zu über¬
wintern versucht haben, waren immer genötigt, sich aus den Raubzügen zu ernähren.
Angesichts des gut ausgebauten türkischen Festungssystems, das als Basis der Besat-
zungs- und irregulären Truppen angewendet wurde, fühlte sich die Habsburger Regie¬
rung in zweierlei Hinsicht herausgefordert. Einerseits mußte man einen Grenzschutz
schaffen, der die Verwüstungen des ständigen Kleinkrieges der Türken, andererseits
den Aufmarsch der großen türkischen Heere durch den Verteidigungsgürtel verlang¬
samen und zu Zeitverlust zwingen konnte.
4 Imre Szänto, A magyarorszägi vegväri rendszer kiepitesenek es fenntartäsänak költgsegei a
XVI. szäzad mäsodik feleben. /dt. Zfg./ in: Acta Historica Universitatis Szegediensis, Tom.
LVIII. 1977. S. 21—45. (betr. die Ausbau- und Erhaltungskosten des Grenzfestungssystems in
Ungarn in der zweiten Hälfte des XVI. Jahrhunderts.)
5 Gyula Käldy Nagy, The First Centuries of Ottoman Military Organization, in: Acta Orien¬
talia / Budapest/1977. No 2. S. 147—183. „The number was nearly twice as much as the
number of the mobile troops of meercennaries, namely 41 053.“
6 Fekete — Käldy Nagy: Rechnungsbücher (wie Anm. 3) S. 771.
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