Frühehe“. Verfasser war seit 1881 meist der Gersweiler Pfarrer Adolf Ludwig Wilhelm
Fauth, der bald zum evangelischen Pendant zu Georg Friedrich Dasbach werden soll¬
te92.
Politisch sprach sich die evangelische Kirche an der Saar eindeutig für die Kartellpartei¬
en aus. Bei der Reichstagsnachwahl im Wahlkreis Ottweiler-St. Wendel-Meisenheim
am 20. März 1889 rief das ,,Evangelische 'Wochenblatt“ zur Wahl „unseres altbewähr¬
ten, arbeiterfreundlichen, mit den Verhältnissen unseres Wahlkreises aufs genaueste be¬
kannten und von dem langjährigen Vertrauen desselben getragenen Geheimrats Frei¬
herr von Stumm“ auf93. Diese Liaison hatte auch handfeste materielle Gründe: Das
1874 gegründete ,,Evangelische Wochenblatt“94 wurde in dem mit Stumm geschäftlich
verbundenen Neunkircher Verlag C. A. Ohle gedruckt, der auch die ,,Saar- und Blies-
Zeitung“ herausgab; Stumm persönlich übernahm die ,,finanzielle Garantie für einen
etwaigen Fehlbetrag im ersten Geschäftsjahr“95. Ob die finanzielle Abhängigkeit an¬
dauerte, ist zweifelhaft. Allerdings heißt es in dem von allen Geistlichen der Saarbrük-
ker Synode Unterzeichneten Protest gegen Stumm vom 20. April 1896: ,,Durch die ge¬
schäftliche Abhängigkeit des Druckers von Freiherrn von Stumm sahen wir uns der
Möglichkeit beraubt, eine gebotene Verteidigung in unserem Organ zu führen“96. Si¬
cher ist auch, daß die evangelischen Geistlichen schwiegen, obwohl ihnen die sozialen
Mißstände an der Saar nicht verborgen geblieben waren. Im Referat des Pfarrers Lentze
vor der Pfarrkonferenz am 12. März 1896 findet sich der Satz: ,,Selbst als die Ueber-
zeugung eine ziemlich allgemeine geworden war, daß große Mißstände in den Verhält¬
nissen der Grubenarbeiter eingerissen seien, wurde ein von Herrn Kollegen Fauth ver¬
faßter Artikel aus dem Jahre 1887: ,Ein Notschrei aus der Tiefe‘ noch einmal im letzten
Augenblick zurückgehalten“9‘. Rudolf Saarn vermutet darum nicht ganz unberechtigt,
daß dieser Artikel ,,vermutlich über die Verbindung Riehn-Stumm-Ohle aus dem
Drucksatz herausgenommen“ wurde98.
Anlaß zur Gründung des ,,Evangelischen Wochenblattes“ war der Kulturkampf, der
die Bindung der evangelischen Geistlichen an König und Staat noch verstärkte. Im be¬
sonderen Maß galt dies für das Saarrevier, wo die evangelische Bevölkerung durch die
katholische Zuwanderung mittlerweile zur konfessionellen Minderheit geschrumpft
war und ihren sozialen Status bedroht sah. In diesem engen konfessionellen Zusam¬
menhang ist sowohl die Gründung des ,, Zweigvereins des Evangelischen Bundes für St.
Johann, Saarbrücken und Umgebung“ 1 88899 als auch die der evangelischen Arbeiter¬
vereine zu sehen. Sie waren in erster Linie Kampfmittel gegen den ,,Ultramontanis¬
mus“, Instrument der Inneren Mission, erst nachrangig Mittel zur Lösung einer wie
auch immer gelagerten ,,sozialen Frage“.
Ihren Ausgangspunkt nahmen die evangelischen Arbeitervereine in Gelsenkirchen.
FFier gründete der Bergmann Ludwig Fischer, der als Verbandsagent später auch an der
92 Vgl. seine Erzählungen ,,Der KostgängerEW, Nrn. 17-33/1884; ,,Um Geld und Gut“,
ebd., Nrn. 24 — 30/1885; ,,Der Vereinter“, ebd., Nrn. 1 —6/1886. Fauth verstarb am 26. 1.
1912.
93 EW vom 17. 3. 1889 (Nr. 11).
94 Zur Geschichte des ,,Evangelischen Wochenblattes“ vgl. Saarn, S. 236 f.
95 Freiherr von Stumm-FIalberg und die evangelischen Geistlichen im Saargebiet, S. 58.
96 Ebd., S. 36.
97 Ebd., S. 25 f. Andeutungsweise bereits im Artikel ,,Arbeiterfreundlich oder arbeiterfeind¬
lich?“ im EW vom 3. 11. 1889 (Nr. 44).
98 Saarn, S. 237. August Eiermann Riehn war evangelischer Pfarrer in Neunkirchen.
99 EW vom 1 1. 11. 1888 (Nr. 46).
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