Full text: Die Anfänge der Bergarbeiterbewegung an der Saar (1848 - 1904)

lichsbeck in den Reichstag für ungültig zu erklären; durch einen Rücktritt von seinem 
Mandat kam Täglichsbeck 1884 einem Ausschluß zuvor77. 
Auch nach dem Ausstand im Mai 1889 waren sich Landräte und Staatsanwaltschaft 
bald schon darin einig, daß ,,es der Sozialdemokratie nickt gelungen (ist), für sich aus 
dem Streik direkten Nutzen zu ziehen“78. Auf der Liste der Bergleute, die nach dem 
Ausstand von der sozialdemokratischen Parteileitung Gemaßregeltenunterstützung er¬ 
hielten, finden sich zwar die Namen der meisten Streikführer des Ruhrgebiets, des 
Waldenburger und sächsischen Reviers, jedoch keiner aus dem Saarbergbau79. Sieht 
man von Peter Klein ab, so engagierte sich vor 1889 mit Georg Neu aus Schwarzenholz 
nur noch ein einziger Bergmann des Saarreviers für die Sozialdemokratie: Er verteilte 
zusammen mit einem befreundeten Schuster, der auf der Wanderschaft mit sozialisti¬ 
schen Ideen in Berührung gekommen war, zur Reichstagswahl 1887 Wahlzettel für Be¬ 
bel in seinem Heimatort; seitdem stand er unter polizeilicher Beobachtung80. 
Im Gegensatz zum Saarrevier gelang es der Sozialdemokratie bereits vor 1878, im west¬ 
fälischen, überwiegend evangelischen Teil des Ruhrgebiets Fuß zu fassen und insbe¬ 
sondere über Tölcke und Schröder Kontakte zu den Bergarbeitern zu knüpfen81. Die 
lassalleanische Tradition blieb gerade in dieser Region ungebrochen; Vorstellungen le¬ 
galer Eigentumsumwandlung, Ideen eines Volkskönigstums gingen so in die Denkwelt 
der politisch aufgeschlossenen Bergleute ein82. Vor allem im westfälischen Bereich ent¬ 
wickelten sich die interkonfessionellen, freien Knappenvereine unter dem Sozialisten¬ 
gesetz zu Zentren sozialdemokratischer Agitation und zum Motor einer gewerkschaft¬ 
lichen Vereinigung83. Spätestens seit 1886 bestanden enge Verbindungen zum sächsi¬ 
schen Bergarbeiterverband. Der zweite Delegiertentag der freien Knappenvereine am 
13. Januar 1889 übernahm den Zwickauer ,,Glückauf ‘ als Organ und beschloß für den 
2. Juni die Einberufung eines allgemeinen deutschen Bergmannstages in Dorstfeld84. 
77 Vgl. Heit j an, S. 102 — 104. B e 11 o t, S. 161 f. Stumm bestätigte diese Manipulationen indi¬ 
rekt in einem Brief an den Fürsten von Hohenlohe-Langenburg vom 4. Oktober 1881: „Die 
Zukunft gehört uns von dem Moment an wieder, wo die vom preußischen Arbeitsminister ab¬ 
hängige Bergbevölkerung wieder nach rechts schwenkt, oder wenn wir uns entschließen woll¬ 
ten, mit dem Zentrum zu gehen, dann brauchten wir die Bergleute nicht mehr“, zit. bei H e 11- 
wig: Stumm, S. 275. 
78 LR Tenge/OTW an RP vom 19. 9. 1889, LHAK 442/6694, 297-300, Zitat S. 298 f. LR zur 
Nedden/SB an RP vom 21. 9. 1889, ebd., 303 -308. SA Hepner/SB an OSA Hamm/Köln 
vom 25. 10. 1889, Abschrift LHAK 403/7028, 85-91. 
79 Bebel an Motteier vom 27. 8. 1890, abgedruckt bei Engelberg, S. 222 f. 
80 Aussagen des Schwarzenholzer Wirts Schramm, LHAK 442/6565, 443 — 445. SA Pattberg/SB 
an RP vom 30. 3. 1887, ebd., 447. 
81 Vgl. Herzig, S. 147—161. Tenfelde: Sozialgeschichte, S. 492 f., 522 — 532, 562 — 572. 
Kurt Koszyk : Anfänge und frühe Entwicklung der sozialdemokratischen Presse im Ruhr¬ 
gebiet, in: Beiträge zur Geschichte Dortmunds und der Grafschaft Mark 50 (1953), S. 1 — 151, 
spez. S. 19 — 52. Stern, Bd. 2, S. 706 — 709. Robert U m b r e i t: Der Sozialdemokratische 
Wahlverein in Dortmund 1875 — 1878 und die „Westfälische Freie Presse“, in: Ders.: Beiträge 
zur Geschichte der Arbeiterbewegung Im Rheinisch-Westfälischen Industriegebiet, Dort¬ 
mund 1932, S. 25 — 33. Eine Aufstellung der Abonnentenzahlen des ,,Socialdemokrat“ im 
Ruhrgebiet findet sich bei Hellfaier: Probleme und Quellen, S. 167. 
82 Herzig, S. 161 — 164. Koszyk, S. 149, spricht sogar vom „Kernland der Lassalleaner“. 
Vgl. Wolf-Ulrich Jorke: Rezeptions- und Wirkungsgeschichte von Lassalles politischer 
Theorie in der deutschen Arbeiterbewegung von der Aufhebung des Sozialistengesetzes bis 
zum Ausgang der Weimarer Republik, Diss. Bochum 1973. 
83 Vgl. Imbusch, S. 274 — 276. Hue : Bergarbeiter, Bd. 2, S. 280 — 283. Tenfelde: Sozial¬ 
geschichte, S. 365 f. 
84 Vgl. I m b u s c h , S. 224 — 227, 276 f. G1 a d e n : Streiks, S. 120 — 122. Tenfelde: Sozialge- 
schichte, S. 558, 582 f. 
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